Aethermagie
Frau her durch eine Halle von beeindruckenden Ausmaßen und schäbiger Pracht. Marmorsäulen und verschnörkelter Stuck standen gegen abgesprungene Steinkanten und schmutzige Fensterscheiben, die kaum Licht ins Innere des Hauses ließen. Die bräunlich und rötlich verzierten Fliesen des Bodens waren abgetreten und die Verzierungen ausgeblichen, nicht wenige der Fliesen waren gesprungen und schadhaft, aber der Geruch nach Kernseife ließ erkennen, dass sie vor Kurzem frisch geschrubbt worden waren. An den Wänden hingen nachgedunkelte Ölgemälde in vergoldeten Rahmen, doch der Putz, auf dem sie hingen, hatte Risse und abgebröckelte Stellen.
Kato schüttelte innerlich den Kopf. Was für eine seltsame Mischung aus Reichtum und Verfall. Was war das für ein Haus?
Sie hob den Kopf. Hoch oben in der Dunkelheit hingen Kronleuchter. Vor ihnen schwang sich eine Treppe empor, die sich in zwei Teile teilte, die jeweils nach rechts und links weiterführten. Das Geländer war aus poliertem Holz. Es glänzte und verströmte einen feinen Geruch nach Bienenwachs. Die Stufen der Treppe waren abgetreten und schadhaft und mit einem verblichenen Läufer belegt.
Die Frau gab ihnen ein Zeichen zu warten und ging zu einem mächtigen Schreibtisch. Sie beugte sich darüber und nahm ein Klemmbrett und einen Bleistift auf. »Ich rufe gleich eine Wärterin«, sagte sie. »Die Jacke brauchen wir nicht, oder? Sie sieht ja ganz friedlich aus. Wo hast du ihre Akte, Moroni?«
Kato riss die Augen auf. »Hören Sie mal«, sagte sie, aber ihr Ausruf wurde übertönt von Zsigmond Rados’ wohlklingender Stimme, die in höchst erstaunlicher Weise aus Moronis Mund erklang: »Professor Charcot erwartet Fräulein von Mayenburg.«
Ein verblüffter Blick traf den Riesen. »Professor …«, wiederholte die Frau. Dann hob sie die Schultern und setzte ärgerlich hinzu: »Das hättest du mir auch gleich sagen können, Dummkopf!« Sie warf das Klemmbrett und den Stift zurück auf den Tisch und wandte sich ab. »Du kennst den Weg«, sagte sie. »Die Tür ist verschlossen, aber Hader öffnet dir, wenn du klingelst.«
Kato sah ihr nach, wie sie mit energischen, schnellen Schritten zur nächstgelegenen Tür ging, sie aufschloss und hindurchschritt. Das Klicken des Schlosses ließ erkennen, dass die Tür von innen wieder verschlossen wurde.
Die vertraute Stimme des Arztes, auch wenn sie aus dem falschen Mund gedrungen war, hatte dazu beigetragen, ihre Sorge ein wenig zu dämpfen und dafür ihre Neugier anzuheizen. Was war dies nur für ein Ort? Kato näherte sich dem Schreibtisch, um einen Blick auf die Schriftstücke zu werfen, die dort lagen, aber Moroni streckte die Hand aus und hielt sie fest. Er schüttelte den Kopf und zeigte zur Treppe. Kato nickte und tat so, als wolle sie ihm brav folgen, aber in dem Moment, als der Riese sich abwendete, machte sie einen Satz und sprang um den Tisch herum. Sie nahm das Klemmbrett und las, was auf dem obersten Blatt geschrieben stand, noch über den auszufüllenden Feldern, die nach dem Namen und dem Alter, dem Geschlecht und körperlichen Merkmalen wie Größe und Gewicht fragten. In hübsch geschwungenen, verschnörkelten Buchstaben hieß es dort: Kaiserliche und Königliche Landesirrenanstalt.
Kato schrie auf und ließ das Klemmbrett fallen. Es polterte auf den Tisch, und im gleichen Moment hatte Moroni, der Kato in seinem täuschend langsamen Schuckeltrab nachgeeilt war, sie gepackt und sich wieder kurzerhand unter den Arm geklemmt. Er gab grollende, grummelnde Geräusche von sich, die wohl beruhigend sein sollten, aber Kato schrie und strampelte und schlug mit der freien Hand, die nicht von dem Riesen eingeklemmt wurde, auf seinen Rücken und seine Schulter ein. Sie wand sich und zappelte, und während er sich grunzend abmühte, sie im Griff zu behalten und gleichzeitig voran auf die Treppe zuzustapfen, verfing sich ihre Hand in einer Kette, die er um den dicken Nacken trug. Kato schlang sie um ihre Finger und riss so fest daran, dass sich das Metall tief in sein Fleisch grub. Moroni knurrte und schlug mit der Hand nach ihr, als wollte er eine Fliege vertreiben. Er blieb stehen, entließ Kato auf ihre eigenen Füße, hielt sie aber weiter eisern fest. Dann löste er mit Kraft, aber ohne ihr wehzutun, ihre Finger von der Kette, und stopfte sie wieder unter seinen Kragen. Kato sah für einen Augenblick den Anhänger, der daran baumelte, und der eine liegende Acht darstellte. Was für ein seltsames Schmuckstück
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