Aethermagie
…
Ehe sie den Gedanken verfolgen konnte, hatte Moroni sie wieder gepackt und sich über die Schulter geworfen. »Ru-hig«, stieß er hervor.
Kato hing hilflos wie ein in der Falle sitzendes Kaninchen in seinem Griff. Sie keuchte und versuchte ihn zu treten, aber dieses Mal war sie so unglücklich gefangen, dass ihre Stöße und Tritte wirkungslos verpufften. Sie hatte keinen Atem mehr, um zu schreien – aber was hätte das hier auch genützt? Sie war an dem Ort, an den sie sonst nur ihre schlimmsten Albträume geführt hatten: im Brünnlfeld.
Und wieder saß sie eingesperrt und wartete. Moroni hatte sie hier hineingeschoben und die Tür zugeknallt. Er stellte sich davor, verschränkte die Arme und sah sie erstaunlich finster an.
Kato seufzte und rieb sich den schmerzenden Arm. Auf der Treppe wäre sie ihm beinahe noch einmal entkommen, aber er hatte in letzter Sekunde mit seiner schaufelgroßen Pranke zugepackt und sie sich wieder über die Schulter geworfen. Er war nicht sonderlich zimperlich dabei vorgegangen.
Kato erwiderte seinen Blick nicht weniger wütend. »Du bist ein großes, dämliches, brutales Monstrum«, sagte sie.
Er nickte, was sie wider Willen zum Lachen brachte. Moronis rundes Gesicht verzog sich zu einem schwachen, dümmlichen Grinsen.
Sie seufzte und sah sich um. Das hier schien ein großes, üppig eingerichtetes Arbeitszimmer zu sein, mit schweren Möbeln aus geschnitzter Eiche, einem dicken Teppich und Bildern an den Wänden. In einer Ecke stand eine mit Samt bezogene Ottomane, daneben, abgewandt, ein Lehnsessel mit einem kleinen Rauchtisch an seiner Seite.
Das Fenster war zwar mit schweren Gittern versehen, aber dafür ließ es den Blick auf einen parkähnlichen Garten zu. Das Herzstück des Zimmers war ein wuchtiger Schreibtisch, hinter dem an der Wand eine Reihe von liebevoll gerahmten Urkunden und Dokumenten ausgestellt war. Der Besitzer des Arbeitszimmers schien stolz auf seine Arbeit zu sein.
»Wer ist Professor Charcot?«, fragte Kato.
Der tumbe Riese beugte sich vor und hob in einer hilflosen Geste die Arme. Kato sah die Anstrengung in seinem Gesicht. Die Sehnen an seinem dicken Hals traten hervor. »Char-cot«, brachte er schließlich mit seiner dumpfen Stimme heraus. Er rollte die Augen und nickte bedeutungsvoll.
»Danke«, sagte Kato mitleidig. Wie schrecklich musste es sein, so durch sein Leben zu gehen. Man konnte sehen, dass ihm das Denken regelrecht wehtat.
Jemand versuchte, die Tür zu öffnen, und scheiterte an Moronis breitem Kreuz. »Was ist das?«, hörte Kato einen Mann fragen. »Wer versperrt mir da den Weg?« Er hatte eine weiche, singende Aussprache, die fremdländisch klang.
Moroni bewegte sich mit der Geschwindigkeit eines treibenden Eisbergs von der Tür weg, die sich Stück für Stück weiter öffnete, bis sich ein mittelgroßer, rundlicher Mann mit weißem Spitzbart hindurchzwängte, der einen weißen Kittel über seinem dunklen Anzug trug. Er warf Moroni einen schrägen Blick zu und näherte sich Kato, indem er seinen Kittel aufknöpfte. »Fräulein von Mayenburg«, sagte er herzlich und reichte ihr die Hand. »Charcot. Ich bin sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen. Haben Sie gut hergefunden?«
Kato lachte auf. »Moroni hat mich hier wie ein Paket hergetragen«, sagte sie. »Ich hätte kaum etwas dagegen unternehmen können.«
Charcot warf dem Riesen einen strafenden Blick zu, der ungerührt erwidert wurde. »Hat er sich Ihnen gegenüber ungebührlich verhalten?«
Kato beeilte sich, das zu verneinen. Sie konnte Moroni nicht böse sein – er tat ja nur, was man ihm auftrug.
»Gut. Dann …« Er sah sich um, als überlegte er, was nun zu geschehen habe, dann ließ er sich an seinem Schreibtisch nieder. »Zsigmond Rados schickt Sie zu mir«, begann er.
Kato sah ihn überrascht an. Dr. Rados? Hatte ihre Stiefmutter den Arzt alarmiert, weil ihre Stieftochter und ihr Mann verhaftet worden waren? »Aber warum hat er mich nicht zurück nach Hause bringen lassen?«
Charcot nahm einen kleinen, silbernen Hammer aus der Ablage auf seinem Tisch und ließ ihn durch seine Finger wandern. Er sah Kato nachdenklich an. »Sie sind hier, weil niemand hier nach Ihnen suchen wird«, erwiderte er schließlich. »Die Geheimpolizei hat keine Befugnis, meine Einrichtung zu betreten. Aber das ist nicht allein der Grund für Ihre Anwesenheit.« Er neigte den Kopf und musterte Kato, sezierte sie mit Blicken und nickte dazu, als hätte sich eine Vermutung
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