Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
kontrollieren?”, fragte Friedrich zweifelnd.
Hartwig nickte: „Mit einigen von ihnen arbeite ich seit mehr als einem Jahr. Ich habe ihr Vertrauen. Ich bin, wie man es unter Laien ausdrückt, ihr Leitwolf.”
„Und wenn sie die Chance nutzen und abhauen.” Friedrich war nicht überzeugt.
„Warum sollen sie das tun?”, sagte Hartwig grollend. „Wir haben im Adlerhorst ein Zuhause, es wird für uns gesorgt, wir sind nicht in Gefahr. Am Rhein sind die Verhältnisse chaotisch. Keiner meiner Männer würde den festen Platz in der Gruppe gegen eine ungewisse Zukunft dort eintauschen.”
Das klang irgendwie einleuchtend. Friedrich wurde wieder einmal klar, wie wenig er darüber wusste, wie es Verdorbenen so ging. Und er war jemand, der vergleichsweise viel mit ihnen zu tun hatte.
„Brauchen wir Herzblut?”, fragte Friedrich. Das war eine Substanz, mit der man Verdorbene kontrollieren konnte.
Hartwig legte die Ohren an, sah dann aber zu Boden: „Nein, das wird nicht nötig sein.”
Friedrich sah den Kommissar an. Der blickte wieder auf seine leblose Art auf seine Schreibtischplatte, als ob in den Kratzern ein Muster ihm die Antwort liefern würde. Dann sah er Friedrich und Hartwig an, und nickte.
„Ich werde um die Genehmigung zum Einsatz der exekutiven Truppe des Amtes für Ætherangelegenheiten bitten. Dann sind wir für alle Fälle gewappnet”, sagte Friedrich. „Wenn Sie damit einverstanden sind?”
Der Kommissar machte eine lange Pause.
„Ich bin mir zwar nicht sicher, was ich mir damit einbrocke, aber ich stimme zu”, sagte der Polizist dann langsam. „Ich muss das noch mit meinem Vorgesetzten besprechen. Machen Sie sich schon einmal Gedanken, wie wir genau vorgehen.”
Er erhob sich und verließ das Büro.
* * *
Annabelle war die Treppe hoch gehastet und stand nun keuchend vor einer verschlossenen Tür. Kurz entschlossen legte sie ihre linke Hand auf das Schloss. Sie spürte dunkle Geheimnisse, durchzogen von orangeroten Schleiern einer verdrehten Freude, einer grünen Erwartung und ein klopfendes Herz. Das alles war aber nicht das eigentliche Schloss. Das war zwar schwer und kompliziert, aber das Eisen war minderwertig. Dennoch schaffte Annabelle es nicht, irgendetwas an dem Schloss zu ändern. Sie hatte so etwas Ähnliches schon einmal gemacht, ja, aber sie war so müde und erschöpft, gleichzeitig unter Zeitdruck und ängstlich. Was hatte sie damals getan? Es war, als wenn jemand versucht mit den Ohren zu wackeln und überhaupt nicht weiß, welchen Muskel er anspannen soll. Damals war der Æther heiß pulsierend durch sie hindurchgeflossen, aber sie wollte sich eigentlich nicht daran erinnern, sie war im Wahn gewesen, hatte nicht wirklich eine Kontrolle über sich gehabt, und es machte ihr Angst, dass es noch einmal geschehen könnte.
Vorsichtig spürte sie dem Æther nach, der sich in ihr befand, und versuchte ihn zu ihrer Hand zu leiten. Sie konzentrierte sich, aber es gelang ihr nicht. Verflixt! Jetzt war sie so weit gekommen, um hier zu scheitern? Sie schloss die Augen und strengte sich an. Aber es war wie bei einer isometrischen Muskelkontraktion: Man spannte etwas an, aber es wurde nichts bewegt. Wenn sie jemanden heilte, dann geschah das Fließen von ganz allein, sie musste nichts wirklich tun, um es geschehen zu lassen, sie konnte es ja auch eigentlich nicht aufhalten. Vielleicht sollte sie einmal versuchen, einfach nichts zu tun? Sie musste sich beeilen, Valentin würde sicher bald folgen!
Aber nach einigen Sekunden des Nichtstuns war ihr klar, dass das auch nicht die Lösung war. Sie löste die Hand vom Schloss und lehnte sich verzweifelt gegen die Wand. Tränen drängten gegen ihre Augen, aber sie konnte nicht weinen. Langsam rutschte sie an der Wand herunter und kauerte erschöpft in der Hocke dagegen. So müde, ohne Ausweg, keine Ahnung, was sie jetzt tun sollte. Hier war sie zu Ende, ihre Flucht. Valentin würde sie gleich einholen, und dann? Annabelle machte sich ganz klein und umfing ihre Beine mit ihren Armen. Sie wollte nicht darüber nachdenken, und trotzdem war es ihr, als berührte er schon ihren Arm, zog sie hoch, berührte sie an der Schulter, im Nacken, im Gesicht, küsste sie, und sie würde sich wieder nicht wehren, denn was sollte sie tun? Sie könnte ihn verletzen, mit ihrer Hand, so wie sie den verrückten Hartmann fast getötet hatte, aber das war sie nicht, sie war keine Mörderin! Ihre Gedanken strudelten weiter, was würde er dann tun, sie wusste es
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