Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
seinem Rücken zusammen und er schloss kurz die Augen.
„Ich bin froh, dass sie gekommen sind”, begann er dann das Gespräch.
„Wir sind geschmeichelt, dass Sie uns empfangen”, entgegnete Dr. Burger.
„Wie geht es ihren Geschwistern?”, fragte Paul.
Georg Hartmann lächelte: „Es geht Ihnen gut. Danke der Nachfrage.”
„Ich möchte gleich zum Grund unseres Besuches kommen: Ihr Bruder muss ausgeliefert werden”, sagte Paul. „Er hat schwere Verbrechen begangen.”
Der Geflügelte verengte kritisch seine Augen. „Mein Bruder verbüßt seine Strafe hier”, antwortete Hartmann. Annabelle schüttelte den Kopf, ihre Ohren hörten ein Summen. Die Spannung in der Luft wurde greifbar. Auch ihr Patenonkel schien Schwierigkeiten zu haben.
„Sie stehen nicht außerhalb des Gesetzes”, sagte Paul beharrlich.
„Ich bin mir sicher, dass der Markgraf nichts an meiner Art, meinen Bruder zu bestrafen, auszusetzen hätte, wenn er selbst käme, um sich ein Bild zu machen.”
Ja, weil er nicht mehr klar denken könnte , schoss es Annabelle durch den Kopf. Sie war sich inzwischen sicher, dass nur ihr Kontakt mit Paul sie davor zurückhielt, dem Geflügelten rückhaltlos zu glauben. Was machte Paul in dieser Hinsicht so besonders?
„Wir sind heute hier, um Ihnen ein Aufgebot an Polizisten zu ersparen. Aber es ist unumgänglich, dass Sie Ihren Bruder ausliefern.” Paul schien so kalt, aber der Geflügelte lächelte wieder nur sanft. Das Summen in Annabelles Ohren wurde allerdings lauter.
„Mein Bruder hat sich verschiedener Verbrechen schuldig gemacht”, sagte Georg Hartmann langsam. „Und ich stimme Ihnen uneingeschränkt zu, dass er eine Strafe verdient hat. Aber ich nehme die Schuld auf mich und bestrafe ihn so, wie es Gott mir sagt.”
„Sie behaupten also, Gott spricht mit Ihnen?”, fragte Paul.
„Er spricht zu uns allen. Aber nur wenige hören ihn.”
Annabelle öffnete den Mund um etwas dazu zu sagen, aber Paul drückte ihre Hand und schüttelte leicht den Kopf.
„Erzählen Sie mir, wie Sie Ihren Bruder bestrafen”, fragte er kritisch.
Georg Hartmann senkte den Kopf und dachte kurz nach: „Mein Bruder leidet seit seiner Kindheit an Komplexen. Sein Aussehen und die Ablehnung, die er dadurch erfahren hat, lehrte ihn aber nicht Demut, sondern verursachte Größenwahn. Er glaubt, seine wahre Bestimmung sei es, zu herrschen. Zuletzt glaubte er, dass die Neuordnung der Welt durch den Æther seine Chance wäre, der Welt sein wahres Ich zu zeigen. Er hatte die Hoffnung, sich eines Tages selbst in etwas Großartiges zu wandeln.”
Annabelle dachte an Walter Hartmann, der klein und haarlos wie eine fette braune Made aussah. Sie konnte nicht vergessen, wie er sie eingeschüchtert und verschreckt hatte, als sie ihm gefangen hilflos ausgeliefert gewesen war.
„Er besuchte mich häufig, damals, im Adlerhorst”, fuhr der Geflügelte fort. „Nicht nur, um meine Tränen zu sammeln. Er beneidete mich um meine Wandlung und begriff dabei nicht, dass Gott mir dadurch nur die Möglichkeit gab, den Menschen zu zeigen, was in mir steckte. Ich bin Gottes Werkzeug, nur durch seine Gnade habe ich diese Gestalt und diese Fähigkeiten. Mein Bruder wünscht sich nichts mehr, als eine Wandlung. Er hat Experimente gemacht, und festgestellt, dass er mit Herzblut diese Wandlung für die Beteiligten herbeiführen und beschleunigen kann. Aber ich verweigere ihm diese Gnade. Falls Gott eine Wandlung für Walter vorgesehen hat, muss er sie ohne Hilfe durchstehen. Das ist meine Bestrafung.”
„Warum nutzen Sie Ihre Fähigkeiten nicht zum Guten?”, brach es aus Annabelle heraus. „Ich habe da draußen so viel Elend gesehen, wie können Sie das zulassen?”
Für einen kleinen Moment schien die Ruhe des Geflügelten erschüttert, seine Flügel raschelten und der Blick seiner hellen Augen wurde stechend. Dann lächelte er wieder: „Liebes Fräulein Rosenherz: Ich bin nicht für das Heil dieser Menschen zuständig. Ich bin nur ein Werkzeug Gottes, ein Beispiel seiner Macht.”
„Aber wie können Sie das verantworten? Die Menschen dort draußen sterben.”
„Wir sterben alle”, sagte Hartmann kalt. Dann wurden seine Augen weich: „Jeder hat die Wahl, wir sind Geschöpfe mit freiem Willen. Gott hat uns so geschaffen.”
Annabelle schnappte nach Luft, zeigte zur Tür und rief empört: „Das ist sicher nicht Gottes Wille!”
Das Summen in ihren Ohren wurde unerträglich laut und Georg Hartmann erhob sich, seine
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