Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
nur ein Mensch, ein Veränderter.”
„Was wolltet ihr von ihm?”, fragte sein Vater. Paul erklärte den Sachverhalt.
„Sie rennen zu ihm wie die Motten ins Licht. In Balg soll es eine Wahrsagerin geben, da stehen die Leute auch die Straße herunter”, sagte Friedrich. „Sie soll eine hundertprozentige Trefferquote haben.”
„Das Amt muss da einschreiten”, meinte Peter Falkenberg und klopfte seine Pfeife aus. „Es muss Regeln für so etwas geben.”
„Wie soll man das regeln?”, fragte Paul. „Wir reden hier über Hoffnungen, Vater. Die kann man nicht »regeln«.”
Peter Falkenberg erhob sich und nahm Friedrich das leere Glas ab. „Es kann doch nicht angehen, dass jeder Verdor-, ich meine, Veränderte, einfach so Profit aus der Verzweiflung schlagen kann.”
„Ach, das hat es schon immer gegeben, und das wird es immer geben”, sagte Friedrich gelangweilt. „Sollen sie ihnen das Geld doch aus der Tasche ziehen. Schlimm wird es erst, wenn jemand zu Schaden kommt. Dann ruft man uns, und wir bringen sie dann hinter Gitter.”
Paul seufzte innerlich. Für Friedrich und seinen Vater war die Welt oft sehr simpel.
„Das Amt hat schon genug zu tun”, sagte er abschließend. „Es ist unglaublich viel Arbeit. Aber vielleicht habe ich bald Hilfe.”
Peter Falkenberg war neugierig: „Ihr stellt noch jemanden ein?”
„Nein, es wird ein Student sein. Aus Russland.”
„Russland.” Peter Falkenberg war kritisch. Das Verhältnis des Reiches zu Russland war nicht das Beste. Der Zar hatte sich seit dem Auftauchen des Æthers vermehrt einem einzigen Berater am Hofe zugewandt: Es wurde gemunkelt, dass Rasputin nun die meisten Entscheidungen traf.
„Nun ja, ich spreche ja Russisch, da bietet sich das an”, sagte Paul defensiv. „Er soll mir dann bei der Katalogisierung helfen.”
„Ich nehme an, er soll dann auch bei den Rosenherz' wohnen?” Da schwang noch ein Vorwurf in Peter Falkenbergs Frage mit. Als Anwalt verfügte er momentan über das Vermögen von Annabelle, bis die Stiftung gegründet wurde, oder endlich geheiratet wurde. Paul nickte, obwohl er sich darüber eigentlich noch keine Gedanken gemacht hatte. Friedrich lachte leise und Paul warf ihm einen bösen Blick zu.
„Es wird Zeit, dass du endlich klare Verhältnisse schaffst, Paul”, sagte sein Vater scharf. „Ich sehe mal nach, wo eure Mutter bleibt.”
Paul setzte sich und schwenkte den Rest des Alkohols in dem bauchigen Glas, sein Bruder zündete sich umständlich eine Zigarette an.
„Nun red schon”, forderte Friedrich ihn plötzlich auf.
„Worüber?” Paul stellte sich dumm.
„Wie ist es so, im Hause Rosenherz? Zusammen mit drei Frauen und doch allein? Immer unter Beobachtung.” Friedrich grinste anzüglich.
„Das geht dich nichts an.”
„Ich weiß. Das macht es umso spannender. Hör zu, großer Bruder: Ihr solltet langsam heiraten. Was hält euch zurück? Sie ist bald reich, ist es das? Will sie dich nicht mehr?”
Pauls Gesicht verdüsterte sich. Er war nicht wütend auf Friedrich, der sprach nur aus, was ihn schon länger beschäftigte.
Friedrich bohrte weiter: „Oder hast du es dir doch überlegt und willst keine Verdor ...”
Paul hob die Hand und sah seinen Bruder streng an: „Sei still. Ich will nicht, dass du sie so nennst.”
„Hast du es schwer oder nimmst du es schwer?” Friedrich grinste provozierend.
„Bei dir ist immer alles schwarz oder weiß”, sagte Paul. „Es ist nicht leicht.” Er trank den letzten Schluck und stellte das Glas beiseite.
Friedrich blies den Rauch aus: „Ich würde das nicht mitmachen.”
„Du bist nicht ich.” Paul überlegte, was er tun könnte, um dem gleichen Thema am Esstisch zu entgehen. Seine Mutter wartete auch ungeduldig auf den Tag, an dem sein unschickliches Verhalten ein Ende hatte, obwohl sie mit seiner Wahl nicht einverstanden war. Er holte eine Uhr aus seiner Anzugtasche. Es war eine kleine Damentaschenuhr, die mit blauen Emaillestiefmütterchen verziert war. Paul hatte sie günstig erstanden, sie war defekt. Er suchte nach dem kleinen Schraubenzieher, den er immer dabei hatte, und öffnete das Gehäuse.
Friedrich beobachtete ihn rauchend und sagte dann gelangweilt: „Zum Glück bin ich nicht wie du. Ich seh das so: Annabelle ist hübsch, und reich, und ja, sie hat einen Makel, aber darüber kann man hinwegsehen. Sie war doch willig, und du hast sie immerhin aus den Klauen des Adlerhorstes gerettet, mein Gott, was will sie mehr? Oder hat ihr
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