Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
sie wusste, war, dass bei Hochdruck die Öfen schlecht zogen und der Rauch in die Räume zurückgedrückt wurde. Tiefdruck bedeutet also das Gegenteil, und sie stellte sich vor, wie der Æther förmlich aus den Flüssen in die Höhe gezogen wurde.
Das Barometer hatte einige Rohre, die aus dem Holzkasten heraus in der Wand verschwanden. Als sie genauer hinsah, fiel ihr eine ungewöhnliche Anzeige auf: Æther stand darauf. Auch diese war im roten Bereich. Das alles gefiel Annabelle ganz und gar nicht. Sie fühlte sich bedrängt bei dem Gedanken an den grünen Nebel ums Haus. Aber jetzt war es nicht zu ändern, und sie hatte es sich ja selbst eingebrockt.
Sie hörte Schritte und drehte sich um. Valentin kam ihnen entgegen. Er hatte sich ebenfalls umgezogen und trug nun einen schwarzen Anzug, komplett mit einem weißen Hemd, einem silbernen Halstuch und einer silbern gemusterten Weste. Eine passende Uhrkette baumelte zwischen einem Westenknopf und der Tasche. Er hatte die Hände in den Hosentaschen und blieb stehen, als er sie sah.
„Du hast dich schick gemacht”, kam sie ihm zuvor. Er sah sehr gut aus, ein bisschen wie einer der Stutzer, die im Kasino nach reichen Witwen suchten. Sie wusste nicht, warum sie diesen Vergleich wählte, es lag vielleicht an dem Blick, mit dem er sie taxierte, als wäre sie eine mögliche Beute.
Er lächelte: „Du auch. Du siehst bezaubernd aus.” Er kam ein paar Schritte näher und bot ihr seinen Arm an. „Und sie sehen auch ganz wundervoll aus, Fräulein Johanna.” Er bot den anderen Arm auch noch an. Sie hakten sich ein und er führte die jungen Damen ins Esszimmer, wo Rudolf Bader auf sie wartete.
„Wie schön!”, rief der bei dem Anblick aus. „Zwei hübsche junge Frauen in wundervollen Kleidern, so etwas hatten wir schon lange nicht mehr an unserem Tisch. Ich fühle mich sehr geehrt.”
Sie ließen sich von Valentin die Stühle zurechtrücken und nahmen Platz. Der Tisch war wie für ein Festmahl gedeckt. Das elektrische Licht schien allerdings sehr grell und störte den Gesamteindruck.
„Bitte erzähle uns ein wenig von deiner Stiftung”, bat Rudolf Bader Annabelle, nachdem sie einen Aperitif bekommen hatte.
„Wo fange ich an ...?” Annabelle war überrumpelt und wusste nicht, was die beiden wohl von den Vorgängen im letzten Winter hier mitbekommen hatten. „Ich fand, es wäre wichtig, dass man etwas für die Opfer des Æthers tut. Für die Kinder, deren Eltern sich nicht mehr um sie kümmern können, für einzelne Verdorbene, die allein nicht in der Welt zurechtkommen, aber die an sich nicht gefährlich sind. Die gefährlichen Exemplare bleiben im Adlerhorst, dort gibt es die entsprechenden Einrichtungen und Sicherheitsmaßnahmen.” Gitter, Schlösser und Stahltüren …
„Das ist sehr edel”, bemerkte Rudolf Bader.
Annabelle sah ihn an. „Es ist eine Notwendigkeit. Ich bin entsetzt, dass es noch niemand vor mir getan hat, und dankbar, dass ich mein Geld hoffentlich bald sinnvoll verwenden kann. Ich kann allerdings erst beginnen, wenn ich geheiratet habe. Vorher komme ich nicht an das andere Vermögen und muss selbst vom Geld der Stiftung leben. Aber es gibt schon viele Menschen, die sich von der Notwendigkeit überzeugen ließen, und Geld gespendet haben.”
„Du hast ja recht”, sagte Rudolf Bader, und sog angestrengt nach Luft. „Geld muss sinnvoll verwendet werden. Ich werde dieser Sache sehr gerne eine angemessene Summe zukommen lassen. Besprich bitte mit Valentin die Details.”
„Ich bedanke mich stellvertretend”, sagte Annabelle erfreut. Das hatte sie nicht beabsichtigt, aber natürlich hatte Rudolf Bader genug Geld, um einen ganzen Stadtteil Baden-Badens zu kaufen, wenn es ihm einfallen würde.
„Ich betrachte dein Überleben aber auch als sehr sinnvoll”, sagte der Hausherr. „Ich wünschte mir, ich hätte früher von deiner Notlage erfahren.” Unausgesprochene Dinge verdüsterten die Atmosphäre. Annabelle spürte Valentins Blicke und jedes Keuchen des Gastgebers verringerte ihren Appetit.
Der erste Gang wurde serviert, und nach einem langen Tischgebet von Rudolf Bader begann Valentin eine Unterhaltung mit Johanna. Es ging um die Arbeit im Adlerhorst, aber Annabelle konnte nicht folgen, die Schwierigkeiten ihres Gastgebers verdarben ihr zunehmend den Appetit. Schließlich schob sie die Suppe beiseite und sagte laut: „Ich muss etwas sagen: Mir ist bekannt, dass ihr von meiner Hand wisst. Wir reden hier über die Opfer des Æthers,
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