Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
zuckte zusammen. Eine Türe war zugefallen, und Schritte ertönten. Sie wollte niemanden sehen und beeilte sich, schnell zu ihrem Zimmer zu kommen.
* * *
Friedrich hatte Paul zum Haus der Rosenherz begleitet und bestand darauf, ihn zur Tür zu bringen. Sie stiegen aus der Kutsche und sangen dabei ein anzügliches Studentenlied. Das Anwesen lag vor ihnen im Morgengrauen, der Kies knirschte unter ihren Füssen, als sie die Auffahrt hochgingen. Paul war nicht mehr so betrunken, wie er das vor ein paar Stunden noch gewesen war. Er hatte ununterbrochen geredet, und sein Bruder hatte erstaunlich geduldig zugehört. Dann hatten sie noch mehr getrunken und gesungen. Nun war er erschöpft und fühlte eine wunderbare Leere im Kopf. Ein warmes und weiches Bett schien eine wundervolle Aussicht, wenn es auch nur ein kurzer Aufenthalt sein würde.
Friedrich blieb ein paar Meter vor dem Haus stehen und Paul tat es ihm gleich.
„Was ist?”, fragte er seinen jüngeren Bruder.
„Das alles wird bald dir gehören”, sagte Friedrich und machte eine umfassende Handbewegung.
Paul betrachtete das prächtige große Haus, die Stallungen und die Garage. Dann nickte er, um gleich darauf den Kopf zu schütteln: „Es gehört Annabelle.”
„Die wird dir dann auch gehören.”
„Wie kann sie mir gehören?” Paul schüttelte wieder den Kopf, aber das war eine schlechte Idee.
„Komm mal mit.” Er fasste Friedrich am Arm und zog ihn in die Stallungen. Dort war es ganz still. Der Geruch nach Heu und Stroh kitzelte sie in der Nase, die Pferde schliefen. Als die Männer die Stallgasse entlang gingen, erwachten die Tiere und eine Katze huschte vor ihren Füßen davon. Paul blieb vor einer Schimmelstute stehen, die sie neugierig beobachtete.
„Das ist Titania, das Pferd des Professors”, erklärte er und rieb ihr die Nase. Sie hatte die Augen halb geschlossen und genoss es einfach. Aus der Box daneben hörte man ein empörtes Poltern.
„Und das ist Oberon – Annabelles Pferd.” Paul ging ein paar Schritte zu der Box des Rappen und streichelte auch ihm die Nase. Oberon nickte wichtig mit dem riesigen Schädel und seine lange Mähne flatterte. Er schnaubte und wieherte unterdrückt.
Paul sah seinen Bruder an: „Verstehst du?”
Friedrich lehnte an der Boxentür: „Nein.”
Paul zeigte auf den Rappen, der nach seinem Hut schnappte: „Schau ihn dir an: Er ist ein König. In seinem Kopf ist er wild und frei, der würde mir das Leben auf seinem Rücken zur Hölle machen. Aber du solltest einmal sehen, wie er sich mit Annabelle benimmt! Er folgt ihr wie ein Hund, und sie zusammen reiten sehen, ist fast, als würden die Amazonen wieder auf der Erde wandeln.” Er machte eine Pause. „Er hat sie damals gefunden, da am See, als sie fast ertrunken ist”, setzte er leise hinzu.
„Was willst du mir damit sagen?”, fragte Friedrich träge.
Paul nahm seinen Hut ab und gestikulierte: „Er und Annabelle, sie sind sich gleich. Sie ist genauso wild und frei, man kann sie nicht besitzen. Sie bleiben bei einem, weil sie das möchten, aber würde man sie wie Besitz behandeln, würden sie eingehen.”
Friedrich erwehrte sich Titanias Versuchen, seine Haare zu essen. Er kratzte sie hinter den Ohren und sie schloss genießerisch die Augen: „Ich glaube, du machst es dir zu schwer.”
„Es ist schwer!”, protestierte Paul, der nun von Oberon als Schubberbaum missbraucht wurde.
Friedrich schob den Kopf des Rappen weg: „Ist es nicht. Du musst dich der Sache eben würdig erweisen. Sei ein Mann, verdammt. Frauen und Pferde brauchen eine feste Hand.” Oberon beäugte den Eindringling misstrauisch.
„Genau da bin ich anderer Meinung”, sagte Paul.
Friedrich ging einen Schritt auf Oberon zu und das schwarze Pferd stampfte mit den Hufen: „Wenn du mit den wilden Tieren rennen willst, dann musst du selbst wild werden”, sagte er und starrte den Wallach provozierend an.
„Annabelle ist doch kein wildes Tier.” Paul beobachtete die Interaktion zwischen seinem Bruder und dem riesigen Pferd, welches wütend die Ohren angelegt hatte. Er befürchtete, dass Friedrich gleich gebissen wurde. Aber sein Bruder lachte nur und trat einen Schritt zurück: „Was willst du, Paul? Du bewunderst sie und diesen Gaul für ihre Freiheit. Wenn du da mithalten willst, dann musste du dich selbst erst einmal freimachen. Willst du aber, dass sie dir gehören, dann musst du sie zähmen, und das erfordert einen ganzen Mann. Es geht nur eines von
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