Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
kein Abendessen gegeben – zog sie sich aus und krabbelte in ihr Bett. Ihr letzter Gedanke galt Paul, den sie schmerzlich vermisste.
* * *
Paul rieb sich die brennenden Augen. Er hatte nach dem Ausflug noch lang gearbeitet und war fast eingeschlafen. Bis auf die Tischlampe war es dunkel im Arbeitszimmer des Professors. Sissi schnarchte zu seinen Füssen und er lehnte sich zurück, um den schmerzenden Rücken zu strecken.
Er berührte die Brosche, fühlte aber nichts Besonderes. Was auch immer heute Nachmittag passiert war, hatte sich nicht wiederholt. Unruhig stand er auf und trat ans Terrassenfenster. Er konnte sich selbst in der Scheibe erkennen und bemerkte, dass er seine Brille mit den Vergrößerungsoptiken noch auf der Stirn trug. Er nahm sie ab und überlegte, ob er ins Bett gehen sollte, löschte das Licht und war auf dem Weg zur Tür, als er ein Geräusch hörte.
Er drehte sich wieder um und sah in den Raum hinein. Dann machte er vorsichtig ein paar Schritte und lauschte wieder. In einer Vitrine raschelte etwas leise. Es hörte sich an wie eine Maus, die mit unregelmäßigen Schritten etwas untersucht. Er schlich näher. Es war eine Vitrine, in der verschiedene Statuetten und Kunstwerke aus unterschiedlichen Ländern aufbewahrt wurden. Paul sah nur wenig im Licht des Mondes, welches durch die großen Terrassentüren in den Raum fiel.
Da war das Geräusch wieder! Aber er konnte es nicht genau lokalisieren. Vorsichtig drehte er den Griff der Vitrinentür und öffnete sie, immer darauf gefasst, dass ihm ein kleines Nagetier entgegen wuselte. Aber da waren nur Schnitzereien, Porzellanfiguren und verzierte Schildkrötenpanzer. Er war ratlos.
Dann fiel ihm etwas ein. Er hatte doch einen Prototyp hier … Leise huschte er in sein Zimmer und kam mit einer kleinen Holzkiste wieder. Sie war etwa 50 mal 50 Zentimeter und ein Laie hätte sie wohl für eine Art Grammofon gehalten, da ein Trichter daran befestigt war. Aber es gab keinen Plattenteller und keinen Arm, der eine Nadel halten würde. Stattdessen war oben eine Papierrolle angebracht, auf der ein Griffel Linien malen konnte. An den Seiten gab es allerlei Messingrohre und Knöpfe, kleine Schalter und eine Anzeige. Paul klappte eine Seite des Kästchens auf und holte einen weiteren kleineren Trichter heraus, der durch einen Schlauch mit dem Kasten verbunden blieb.
Paul drückte einen Schalter und ein kleines Glasröhrchen leuchtete grün. Es war also noch genug Æther im Kasten. Gut. Er drückte ein paar andere Schalter, legte einen Hebel um und nahm dann den kleinen Trichter. In der Kiste begann eine Mechanik zu sirren und zu ticken. Nach kurzem Nachdenken legte er den Hebel wieder zurück und ging noch einmal in sein Zimmer um einen Atemschutz zu holen. Er zog die Halbmaske an und griff auch nach der Optik auf dem Schreibtisch.
Dann legte er den Hebel erneut um und beobachtete, wie ein leichter Ætherdunst aus dem großen Trichter die Gegenstände in der Vitrine benetzte. Er drückte einen Knopf und der Dunst wurde unterbrochen. Er klappte eine andere Seite der Kiste auf und entfaltete einen Blasebalg. Aktiviert füllte und erschlaffte er sich in einem regelmäßigen Takt. Paul bewegte den kleinen Trichter an den Gegenständen entlang und drückte dabei immer wieder einzelne Knöpfe. Der Griffel schlug aus und malte Zickzacklinien auf dem sich ausrollenden Papierstreifen.
Schließlich stellte er die Maschine ab, entledigte sich der Maske und schob die Optik in die Stirn. Er machte ein Licht an und studierte den Streifen. Das Ergebnis überraschte ihn – und doch nicht. Dann ging er zur Vitrine und betrachtete das Objekt, welches die Maschine zum weitesten Ausschlag gebracht hatte. Es war eine Puppe. Ein Kinderspielzeug, wie man es in reichen Haushalten fand. Er nahm sie vorsichtig aus der Vitrine. Sie hatte einen wunderbar lebensecht gestalteten Porzellankopf und seidige Haare.
Spätestens als Paul die Haare berührte, war ihm klar, dass die Puppe Annabelle darstellte. Sie hatte die gleichen grünen Augen, und als er an den Haaren schnupperte, konnte er Annabelles Maiglöckchenduft riechen. Er schloss die Augen und vermisste sie sehr. Dann untersuchte er die Puppe genauer. Der Ausschlag seines Æthersonospektrographen war gewaltig gewesen!
Er hatte das Gerät selbst entwickelt, was aber nicht bedeutete, dass er die Ergebnisse, die es ihm lieferte, exakt deuten konnte. Bei der Entwicklung seiner ”Spielereien”, wie sein Bruder sie nannte, war ihm
Weitere Kostenlose Bücher