Affaere in Washington
gefallen, dass er noch nach Tagen darüber gelacht hat.«
»Er besaß einen einmaligen Sinn für Humor«, sagte Myra trocken.
»Hast du damals nicht das Bild vom Staatssekretär kaufen wollen? Wenn ich mich recht erinnere, botest du Grant zweitausend dafür.«
»Und der Schlingel hat es mir nicht gegeben. Schade«, meinte Myra nachdenklich. »Es wäre jetzt ein Vermögen wert. Er hatte es sogar signiert. Wie geht es Grant eigentlich? Seit Weihnachten habe ich ihn nicht mehr gesehen.«
»Gut, denke ich. Ein verdrießliches Genie – wie immer.« Shelby lachte liebevoll bei dieser Beschreibung. »Er sitzt in seinem Leuchtturm wie in einer gut bewachten Festung. Ich will ihm im Sommer zwei Wochen lang auf die Nerven fallen.«
»So ein großartiger, vielversprechender junger Mann. Es ist ein Jammer, dass er sich dort an der Küste verkriecht und nicht mehr aus sich macht.«
»Er will es so haben«, entgegnete Shelby einfach. »Wenigstens im Moment.«
»Verzeihen Sie!« Beide Frauen sahen zur Tür, wo ein junger Mann in Botenlivree stand, der einen Korb am Arm trug.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte Shelby.
»Miss Shelby Campbell?«
»Ja, das bin ich.«
Der Bote trat auf Shelby zu und überreichte ihr den Korb. »Das soll ich bei Ihnen abgeben, Miss Campbell.«
»Danke.« Automatisch griff Shelby in die Wechselkasse, nahm einen Dollar heraus und gab ihn dem jungen Mann als Trinkgeld. »Wer schickt mir das?«
»Es liegt eine Karte drin«, erklärte der Bote und steckte das Geld ein. »Vielen Dank, Miss.«
Ein unerwartetes Geschenk zu erhalten, ohne die leiseste Ahnung zu haben, von wem es sein könnte und was zum Vorschein kommen würde, hatte Shelby schon immer mit größtem Entzücken erfüllt. Sie betrachtete den hübschen Deckelkorb von allen Seiten und dachte gar nicht daran, ihn sofort zu öffnen.
»Mach schon auf, Shelby!« Myra trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. »Ich sterbe vor Neugier.«
»Warte noch, Myra, lass uns raten. Dem Aussehen nach könnte es ein Picknickkorb sein. Aber das ergibt überhaupt keinen Sinn. Oder ein junger Hund?« Sie beugte sich über den Korb und lauschte. »Nein, da bewegt sich nichts. Aber es riecht …« Sie schloss die Augen, um den Duft besser identifizieren zu können. »Das ist komisch. Es riecht nach …«, rasch öffnete sie den Deckel, »… Erdbeeren!«
Tatsächlich war der Korb mit auserlesenen, dicken roten Erdbeeren gefüllt. Frisch und sauber, boten die Früchte einen prächtigen Anblick. Shelby nahm eine heraus und biss hinein. »Lecker!«
Myra tat das Gleiche. »Mmm, schmeckt wundervoll. Wer könnte dir die geschickt haben? Willst du nicht nach dem Absender sehen?«, fragte sie kauend.
Langsam zog Shelby den länglichen weißen Umschlag zwischen Korb und Verpackung hervor. Sie wog ihn auf der Hand, hielt ihn ans Licht und drehte ihn immer wieder um.
»Shelby!« Myra konnte die Spannung nicht länger ertragen.
»Ja, ja, schon gut!« Shelby riss das Kuvert auf und nahm die Karte in die Hand.
Shelby,
ihr Anblick hat mich an Sie erinnert!
Alan.
Myra beobachtete aufmerksam Shelbys Gesicht. Überraschung war darauf zu erkennen, Freude und noch etwas anderes. War das Bedauern oder vielleicht Angst? Schwer zu sagen.
»Jemand, den ich kenne?«, fragte sie endlich, als Shelby noch immer schwieg.
»Wie bitte? Ach so, ja, höchstwahrscheinlich.« Doch dann steckte sie die Karte in den Umschlag zurück. »Myra«, sagte Shelby und seufzte tief, »ich fürchte, ich bin in Schwierigkeiten.«
»Das ist eine gute Nachricht.« Myra nickte zufrieden. »Es wird auch langsam Zeit. Möchtest du, dass ich meinen Koch der Gefahr eines Nervenzusammenbruchs aussetze und ihm sage, dass ich in letzter Minute eine weitere Person eingeladen habe? Wer ist es?«
Die Versuchung war groß, Shelby hatte Alans Namen schon auf der Zunge, aber dann schluckte sie und verriet nichts. »Nein, lassen wir es lieber. Es wäre wahrscheinlich unklug.«
»Ihr junges Volk wisst eben alles besser«, stellte Myra fest und rümpfte die Nase. »Dann sehen wir uns also pünktlich um sieben.« Sorgfältig wählte sie eine weitere Beere aus und steckte sie sich in den Mund. Dann griff sie nach ihrer Tasche, warf einen prüfenden Blick auf die fast fertiggestellte Lampe und sagte im Gehen: »Sie gefällt mir ausnehmend gut, sie würde genau in mein Gartenzimmer passen. Pack sie ein und bring sie heute Abend mit, Shelby, und die Rechnung auch.«
Ich muss Alan anrufen und mich
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