Affaere in Washington
und ihr Mädchenmund harmonierte überhaupt nicht mit dem verführerischen Reiz ihrer Fraulichkeit. Shelbys Geist würde sich niemals seiner Schritt-für-Schritt-Logik anpassen.
War das alles etwa eine einfache Erklärung?
Und dennoch – sollte ein Mann von fünfunddreißig Jahren nicht an das Wunder der Liebe auf den ersten Blick glauben dürfen? Er würde also mit seiner Geduld und Beharrlichkeit gegen Shelbys stürmisches, temperamentvolles Wesen zu Felde ziehen und zusehen, wer am Ende Sieger bliebe. Falls es im Kampf zwischen Öl und Wasser überhaupt einen Gewinner geben konnte.
Das Telefon auf seinem Schreibtisch klingelte. Alan kümmerte sich nicht darum, doch dann fiel ihm ein, dass seine Sekretärin zum Essen gegangen war. Ärgerlich, weil er in seinem Gedankengang gestört wurde, drückte er auf den rot leuchtenden Knopf. »Senator MacGregor.«
»Danke schön.«
Alans Lippen umspielte ein Lächeln, während er sich im Stuhl zurücklehnte. »Gern geschehen. Wie schmecken sie?«
Shelby steckte eine besonders rote, saftige Frucht in den Mund und flüsterte: »Fantastisch. Mein Laden duftet wie eine Erdbeerplantage. Zum Teufel mit Ihnen, Alan!« Sie schluckte, und ihre Aussprache wurde deutlicher. »Erdbeeren sind eine unfaire Taktik. Man greift mit Orchideen an oder mit Brillanten. Mir hätten ein mehrkarätiger weißer Diamant oder fünf Dutzend afrikanische Orchideen auch genügt.«
Alan spielte mit dem Bleistift, der vor ihm lag. »Sie können sich darauf verlassen, dass ich Ihnen weder das eine noch das andere schenken werde. Wann sehen wir uns, Shelby?«
Sie schwieg einige Sekunden lang, war hin und her gerissen, hätte nur zu gern Ja gesagt. »Alan, es hätte wirklich keinen Zweck. Ich erspare uns beiden eine Menge Ärger, indem ich ablehne.«
»Nach meinem Eindruck sind Sie nicht der Typ, der dem Ärger unbedingt aus dem Weg geht.«
»Sonst vielleicht nicht, aber in Ihrem Fall ganz bestimmt. In vielen, vielen Jahren, wenn Sie zehn Enkelkinder haben und einen langen Bart, werden Sie mir dankbar sein.«
»Muss ich tatsächlich so lange warten, bis Sie mit mir zum Essen gehen?«
Shelby lachte herzlich und verwünschte ihn gleichzeitig. »Ich mag Sie wirklich.« Dann hörte er sie seufzen. »Versuchen Sie es nicht weiter mit Ihrem Charme, Alan. Wir geraten beide auf dünnes Eis. Ich könnte es nicht ertragen, noch einmal einzubrechen.«
Alan wollte etwas entgegnen, aber da leuchteten die Signallampen auf. Das war das Zeichen für die Abgeordneten, sich wieder zu versammeln. »Shelby, ich muss zur Sitzung. Wir reden ein andermal weiter.«
»Nein«, entgegnete Shelby mit fester Stimme. Sie ärgerte sich, dass sie schon länger als beabsichtigt mit Alan geplaudert hatte. »Ich wiederhole mich ungern, es langweilt mich. Denken Sie daran, dass ich Ihnen soeben einen großen Gefallen erwiesen habe. Leben Sie wohl, Alan.«
Sie warf den Hörer auf die Gabel und schob den Korb heftig zur Seite. Wie war es ihm nur so schnell gelungen, sich in ihr Herz zu schleichen?
Während sich Shelby für Myras Dinnerparty ankleidete, hörte sie einem alten Bogart-Film zu. Diese Art von Sprechfunk hatte sich ergeben, als ihr Fernsehgerät vor zwei Wochen teilweise den Dienst versagte und sich plötzlich weigerte, ein normales Bild zu liefern. Erst hatte Shelby aus Bequemlichkeit keinen Reparaturservice in Anspruch genommen, und dann gefiel ihr nach und nach diese Lösung sogar besser. Der Ton drang klar und deutlich aus dem Gerät, und der leere Bildschirm regte ihre Vorstellungskraft an.
Während Bogart mit seiner typischen müden Heldenstimme jemandem etwas erzählte, schlüpfte Shelby in ihre knappe, perlenverzierte Seidenweste, aus dem die weiten Rüschenärmel einer weißen Spitzenbluse hervorschauten.
Sie hatte die gedrückte Stimmung des Nachmittags energisch beiseitegeschoben. Es war stets ihre Überzeugung gewesen, dass man Depressionen einfach ignorieren musste, um sie aus der Welt zu schaffen. Dem hartnäckigen Alan MacGregor hatte sie jedenfalls heute zum dritten Mal ihre Meinung gesagt. Es stand zu hoffen, dass er es nun endlich kapierte. Dass danach keine Erdbeerkörbchen oder ähnliche Überraschungen mehr eintreffen würden, ließ sich nicht ändern.
Shelby entschied sich für hochhackige Abendsandalen und stopfte einige notwendige Utensilien in ihre Handtasche: die Hausschlüssel, einen abgenutzten Lippenstift und eine halbe Rolle Pfefferminz.
»Bleibst du heute Abend zu Hause, Moische?«,
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