Affären
süß.«
»Rache ist süß« ist der erste Beitrag von Kyoko Chaldean in einer Black Lace Sammlung.
Shanna Germain
Während der Konferenz hieß es plötzlich, dass die Firma, für die ich arbeite, einen Bus mietet, um uns zu einer Party in ein Lagerhaus zu bringen. Jemanden, den ich kenne, kennt jemanden, der ein Auto hat, und der bietet mir eine Mitfahrt an. Ich sage ja.
Das bereue ich.
Da sitze ich auf der Rückbank, eingequetscht zwischen zwei Kerlen, die ich nicht kenne, Kerle, die mir eine Stunde lang Fotos ihrer Kinder auf dem Handy zeigen, denn so lange dauert die Fahrt vom Hotel zur neuen Errungenschaft der Firma. Ich trage meine Arbeitskleidung: mittellanger schwarzer Rock und kniehohe Stiefel, ein Hemd, das die Kurven meiner kleinen Brüste sehen lässt.
Die Stiefel passen nirgendwohin, deshalb sitze mit einem Fuß auf jeder Seite des Kardantunnels, die Knie fest zusammen, und ich denke: Ich bin so alt wie diese Männer, und mein Mann ist auch in diesem Alter. Ich starre auf die digitalen Fotos von Gesichtern, die mit Babybrei beschmiert sind und Geburtstagsschenke bejubeln, sobald sie ausgepackt sind, und ich rufe stumm und verzweifelt: Rette mich, bitte.
Offiziell gehe ich zu der Party, weil man das eben so macht bei Konferenzen. Lass dich sehen, rede übers Geschäft und zeige dich vom Lagerhaus beeindruckt.
Inoffiziell gehe ich zur Party, weil Sean da sein könnte. Das sage ich natürlich zu niemandem. Sie würden das seltsam finden, denn ich habe einen Mann, den meine Kolleginnen kennen und schätzen. Sie beschreiben ihn als ›süß‹ und ›Schatz‹, und das alles ist er auch.
Sie würden das auch deshalb seltsam finden, weil ich Sean kaum kenne. Wir haben uns mal in Deutschland getroffen. Und dann noch einmal in Montana. Bei diesen Treffen sieht man sich beim gemeinsamen Arbeitsessen, oder man redet bei kalten Snacks und warmem Bier bei einer Cocktailparty miteinander. Wo du deinem Gegenüber am Tisch in einem Hamburger Restaurant im Freien in die Augen sehen kannst und feststellst, dass sie nicht lindgrün sind, wie du geglaubt hast, sondern blaugrün. Augen, in denen man ertrinken kann.
Diese Arbeitsessen, bei denen du unabsichtlich in einer Westernbar in Bozeman eine Olive fallen lässt und darüber lachen musst. Und dir fällt auf, dass er keine Anstalten trifft, die Olive aufzuheben, wie so viele getan hätten. Stattdessen schaut er zu, wie ich mich bücke. Seine Blicke gleiten über die Kurven meines Hinterns. Er steckt die Hände in seine Hosentaschen, als wollte er sie unter Kontrolle behalten.
Er hat gute Hände. Er ist ein Radfahrer. Das hat er mir beim Essen in Hamburg gesagt. Bei diesem Essen hat er auch gesagt, dass ich ihm schon bei vorangegangenen Treffen aufgefallen war, aber er hätte mich für einen Snob gehalten. Das habe ich schon öfter gehört.
»Schüchtern«, sagte ich.
»Seliah«, fügte ich noch hinzu.
»Sean«, sagte er.
»Sub«, sagte ich aber nicht. Alle diese S-Wörter. Sub wie subaltern und subversiv. Untergeordnet, unterwürfig. Und alle wahr und zutreffend.
Als das Auto schließlich vor der Party anhält, steige ich aus und gehe hinein in die Lagerhalle. Ich begrüße die Eigentümer an der Tür. Ich mache oh und ah, als ich die vielen Kartons sehe, als bedeuteten sie mir etwas. Ich tue so, als suchte ich nicht nach ihm. Jemand reicht mir ein Bier. Es ist nicht jemand, es ist ein Mann, den ich kenne, seit vielen Jahren schon. Aber ich habe ihn kaum im Blick.
Er ist nicht hier, auch wenn er hier ist. Ich suche, grase ab, filme ein Quadrat nach dem anderen. Wenn er hier ist, sehe ich ihn. Die Tiefmeeresaugen, die sandfarbenen krausen Strähnen, die ihm in die Stirn fallen, bis er sie mit diesen feinen Händen zurückschiebt. Wenn ich meine Aufmerksamkeit richtig einstimme, glaube ich, diese Hände fühlen zu können, auch wenn ich sie nicht sehe.
Ich nippe am Bier und rede. Ich höre mit den Augen zu. Ich sehe mit jeder Zelle, die sich in seiner Richtung festbeißt. Ich werde zu ihm gezogen, als stünde ich unter dem Einfluss einer fremden Gewalt und nicht der Schwerkraft.
Ich entschuldige mich und gehe zum Tisch, auf dem die essbaren Dinge stehen. Es ist sein Lachen, das mich führt, obwohl ich es erst einmal gehört habe, damals in Hamburg. Ich hatte eine Geschichte erzählt, wie ich mit meinem Fahrrad gegen einen Baum gefahren war, und darüber hatte er gelacht. Als ob er über sich selbst lachte, dabei war es doch mein Unfall gewesen,
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