Affinity Bridge
einem Brandy. Wir können gemütlich
vor dem warmen Feuer über den Fall reden. Ich wünschte nur, ich könnte mehr für
Sie tun, aber ich bin mit dieser anderen Angelegenheit völlig eingespannt.«
»Sie sind ein guter Mann, Newbury. Erzählen Sie doch mal. Leider
habe ich überhaupt nichts Neues über das Luftschiffunglück gehört. Was gibt es
zu berichten?«
»Leider nur sehr wenig. Ihre Majestät drängt auf rasche Aufklärung,
doch die Spuren sind dünn und spärlich gesät. Sie beharrt darauf, es sei Sabotage
im Spiel gewesen, doch ich muss zugeben, dass ich da nicht so sicher bin. Ich
nehme an, Foulkes hat auch nichts Brauchbares herausgefunden?«
Bainbridge schüttelte den Kopf. »Leider nein. Er ist ein guter Mann,
stets sehr gewissenhaft. Wenn es irgendwelche Hinweise gegeben hätte, dann
wüssten wir längst davon. Ich fürchte, die Sache liegt nun in Ihren Händen,
Newbury. Ah, sehen Sie da â¦Â«
Sie drehten sich um, als Mrs. Bradshaw den Raum mit zwei groÃen
Gläsern Brandy betrat. Bainbridge nahm lächelnd eines entgegen. Sein buschiger
Schnurrbart bebte. »Sie ist ein Schatz, Newbury.« Er prostete Mrs. Bradshaw zu.
»Ich brauche unbedingt auch so eine Haushälterin wie Sie, Mrs. Bradshaw. Vielen
Dank.« Er trank einen groÃen Schluck und blinzelte, als der scharfe Alkohol
auf der Zunge brannte. Newbury roch an seinem Glas und stellte es unberührt
zwischen ihnen auf den niedrigen Tisch. Er war nicht sicher, ob er in seiner
angeschlagenen Verfassung so etwas vertragen konnte. Mrs. Bradshaw zog sich
rasch wieder zurück.
Newbury lehnte sich bequem an. Es war ein kleiner, gemütlicher Raum
mit drei Sesseln, einem tosenden Feuer, einem kleinen Sekretär und einem
Porträt an der Wand, das seinen GroÃvater in Militäruniform zeigte. Der Mann
hatte während der Expansion des Empire in Afghanistan gekämpft und war in
vieler Weise, wenngleich indirekt, für Newburys Faszination für okkulte Dinge
verantwortlich. John Newbury war im Kampf gefallen, und seine kleine Kiste mit
persönlichen Habseligkeiten war an Bord eines alten Dampfers nach London
zurückgekehrt. Newbury, damals noch ein kleiner Junge, hatte lange über den geheimen
Inhalt der Kiste gerätselt, die sein Vater verschlossen unter dem Bett
versteckt hielt. Eines Tages, sein Vater war geschäftlich unterwegs gewesen, und
seine Mutter hatte in den unteren Räumen Gäste bewirtet, hatte Newbury den
Schlüssel aus dem Nachttisch genommen und war unter das elterliche Bett
gekrochen, um die Kiste herauszuziehen und den verzierten SchlieÃmechanismus zu
öffnen. Der Inhalt sollte sein Leben ein für alle Mal verändern.
Abgesehen von den typischen Kriegsandenken â eine Pistole, ein
Dolch, eine Medaille â enthielt die Kiste drei Bücher von einer Art, wie der
junge Newbury sie noch nie gesehen hatte. Das in ihnen enthaltene Wissen sollte
ihn in eine Welt voller Geheimnisse katapultieren, eine Welt voller Magie und
Nachtgestalten, voller Rituale und Zaubersprüche. Bei den Büchern handelte es
sich um eine Geheimgeschichte der Welt, einen Katalog des Okkulten und eine
Anleitung für all die bizarren, geheimnisvollen Praktiken, die auf dem schmalen
Grat zwischen Leben und Tod ihren Platz hatten. Wochenlang kehrte Newbury immer
wieder zu der Kiste unter dem Bett seiner Eltern zurück, nahm die Bücher des
GroÃvaters heraus und las im Kerzenschein, bis sein Kopf voller Wunder war. Die
Bücher besaà er immer noch, sie waren jetzt sicher in seinem Arbeitszimmer
untergebracht, denn er hatte sie nach dem Tod seiner Eltern aus dem Besitz
seines Vaters übernommen. DreiÃig Jahre lang war die Kiste unberührt an Ort und
Stelle geblieben, und als er schlieÃlich seine Mutter zur letzten Ruhe gebettet
hatte, war er zum Haus der Eltern gefahren, um sie zu holen. Inzwischen hatte
Newbury bereits eine umfangreiche Bibliothek der Geheimwissenschaften
aufgebaut, doch diese Bände hatte er nirgendwo sonst gefunden, und nun nahmen
sie in seiner Sammlung einen Ehrenplatz ein. Er fragte sich, ob es die einzigen
Exemplare der Bücher waren, die überhaupt noch irgendwo im Empire existierten.
SchlieÃlich riss er sich aus dem Tagtraum und warf einen Blick auf
Bainbridge, der den Brandy ausgetrunken hatte und den Gastgeber neugierig
beobachtete. »Sie waren so gedankenverloren, Newbury.
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