Affinity Bridge
sein Büro betrat. »Danke, Miss Coulthard. Ich hoffe
doch, es geht Ihnen gut?«
Erst als die Frau sich räusperte, riss Newbury sich von dem
Zeitungsartikel los. »Oh, meine liebe Miss Hobbes. Ich bitte um Verzeihung.« Er
verhaspelte sich und war vorübergehend unsicher, wie er seinen Irrtum
wiedergutmachen sollte. »Ich fürchte, ich habe mich noch nicht recht daran
gewöhnt, dass ich mein Büro mit jemandem teile. Kommen Sie doch herein.« Er
stand halb auf, die Verlegenheit war ihm deutlich anzumerken. Seine erst vor
Kurzem eingestellte Assistentin, Miss Veronica Hobbes, setzte sich ihm
gegenüber hin. Sie war hübsch, brünett und Anfang zwanzig, von anmutiger
Gestalt und doch weiblich gerundet und mit einer weiÃen Bluse, grauer Jacke und
passendem Rock bekleidet.
Sie lächelte. »Sie müssen sich nicht entschuldigen, Sir Maurice. Es
braucht schon erheblich mehr als eine kleine Verwechslung, um mich in Rage zu
versetzen.«
Newbury erwiderte ihr Lächeln. »Sehr gut. Nun, dann richten sie sich
in aller Ruhe ein. Aber zuerst ⦠ich nehme doch an, Sie können mit einem
Teekessel umgehen?«
Eine Stunde später, nach einer ausgiebigen Stärkung mit Earl
Grey, summte das Büro vor Geschäftigkeit. Newbury ging seine Notizen vom
vergangenen Tag durch und versuchte, aus den Zeitungsberichten und den
angeblichen Sichtungen des »glühenden Bobbys« in Whitechapel schlau zu werden.
Während er angestrengt und konzentriert nachdachte, bildeten sich tiefe Falten
auf seiner Stirn.
Veronica legte sich mächtig ins Zeug, räumte den zweiten Schreibtisch
im Raum frei, packte ihre persönlichen Utensilien aus und sortierte die vielen
veralteten Aktennotizen ein, die sie überall in Schubladen und in Stapeln im
Büro fand. Die Jacke hatte sie über die Stuhllehne gehängt, die Ãrmel ihrer
Bluse waren hochgekrempelt, und sie ging das Durcheinander an, als müsste sie
einen Schurken dingfest machen. Newbury war ob ihrer Gründlichkeit stark
beeindruckt.
Gestört wurde die Geschäftigkeit schlieÃlich durch eine sichtlich
aufgeregte Miss Coulthard, die im Laufschritt und mit einiger Verspätung eintraf.
Der hastig geflochtene Dutt hatte sich gelöst, sodass ihr die Strähnen ins
Gesicht hingen, als sie atemlos in der Tür innehielt. Newbury und Veronica
blickten sie besorgt an.
Newbury sprang sofort auf, um ihr zu Hilfe zu eilen. »Meine liebe
Miss Coulthard, was ist denn nur los?«
Die zierliche Frau zog den Kopf ein, als hätte sie Angst vor dem,
was sie sagen musste. Veronica schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln.
»O Sir, es ist wegen meines Bruders Jack. Er ist gestern
verschwunden, und wir fürchten, er könnte dieser schrecklichen Seuche zum Opfer
gefallen sein.«
Newbury scharrte unbehaglich mit den FüÃen. »Ich kann Ihre Sorge gut
verstehen, Miss Coulthard. Aber nun kommen Sie doch erst einmal herein« â er
deutete auf den Besucherstuhl â »und setzen Sie sich einen Moment. Miss Hobbes
holt Ihnen eine Tasse heiÃen Tee.« Er blickte fragend zu Veronica, die beruhigend
abwinkte und nach nebenan verschwand, um eine frische Kanne Tee aufzusetzen.
Newbury legte Miss Coulthard eine Hand auf den Arm. »So, und jetzt
erzählen Sie mir, immer schön eins nach dem anderen, was genau geschehen ist.«
Die zierliche Frau blickte zu ihm hoch und schnitt eine schmerzliche
Grimasse. »Ehrlich gesagt, gibt es nicht viel zu berichten, Sir. Jack ist
gestern Morgen wie gewohnt zur Arbeit gegangen â er ist bei den Anwälten
Fitchett und Browns beschäftigt â, und nicht von dort zurückgekehrt. Wir haben
eine schlaflose Nacht verbracht und uns Sorgen gemacht, weil er vielleicht in
irgendwelche Schwierigkeiten hineingeraten ist, denn es sieht ihm überhaupt
nicht ähnlich, auf dem Heimweg am Abend zu trödeln. Meine Schwägerin und ich
sind gleich heute Morgen in der Anwaltskanzlei vorstellig geworden, um uns nach
ihm zu erkundigen. Anscheinend ist er überhaupt nicht dort angekommen.« Sie
schluchzte heftig und hob die behandschuhte Hand, um sich die Tränen
abzuwischen. »Die Anwälte hatten keine Ahnung, wo er steckt und warum er
gestern nicht zur Arbeit erschienen ist.«
Newbury setzte sich mit nachdenklicher Miene auf seinen Stuhl. »Ich
bin sicher, dass wir eine einleuchtende Erklärung finden, wenn wir uns nur
etwas Mühe
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