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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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Feind gelegt hatte.
    Der Panzersoldat knickte in der Taille ein und wäre beinahe aus dem Turm gestürzt, jedoch zog jemand den Toten – der Unteroffizier wie auch die Journalistin waren überzeugt, dass der Panzersoldat tot war – an den Beinen in den Tank hinein und schlug den Lukendeckel zu. Der Panzer feuerte hintereinander noch ein halbes Dutzend Schüsse ab, die aber allesamt schlecht lagen, dann fuhr er brüllend rückwärts aus dem Blickfeld.
    Jetzt meldeten sich erneut kurz die Maschinengewehre im Zwielicht des zu Ende gehenden Nachmittags, verstummten jedoch rasch wieder. Die Nacht brach herein. „Einmal“, hob der Unteroffizier unvermittelt zu erzählen an, „schossen zwei meiner Kameraden, Zwillinge übrigens und ich habe es mit eigenen Augen gesehen, mit Panzerfäusten auf einen Tank, einen T-55, der stehengeblieben war, eine Panne hatte. Da zeigte sich im Turmluk ein Soldat, der uns zuwinkte, um zu offenbaren, dass er einer von den Unsrigen sei. Aber sie schossen trotzdem weiter auf den Tank. Nun drehte er seinen Turm, gab eine MG-Garbe auf sie ab, und ein Schütze wurde getötet. Jetzt schoss sein Zwillingsbruder erst recht weiter auf den Tank. Ich rannte zu ihm und schrie, er solle nicht schießen, das sei einer der Unsrigen. Er glaubte mir nicht, weil er dachte, nur die Serben hätten T-55er. Da packte ich ihn und schleppte ihn mit Gewalt zu dem Panzer. Und als wir näher kamen und auf dem Tank die mit weißer Farbe angebrachte Aufschrift sahen: Tod den Tschetniks!, erklärte ich ihm: `Siehst du, es ist doch einer von uns!´ Er aber wollte nicht rangehen und schrie: `Einer von den Serben ist es, sie haben es absichtlich draufgeschmiert!´ Als wir dann doch hinkamen, stellte sich heraus, dass ein Geschosssplitter aus der Panzerfaust den Sehschlitz getroffen und das Gesicht des Fahrers verwundet hatte. Er kletterte blutüberströmt aus dem Tank, und man beschimpfte sich mit den gemeinsten Worten.
    Warum ich mich jetzt daran erinnere, weiß ich selbst nicht. Doch es ist so. Weil ich mich ärgere, dass es so ist. Ich hasse die Serben dafür, doch um der Wahrheit die Ehre zu geben, muss ich sagen, dass ich nicht nur die Serben hasse, sondern auch uns, mich selber. Uns alle hasse ich, weil es so um uns bestellt ist. Ich liebe uns alle, hasse uns aber auch, weil es mich quält, dass es so um uns bestellt ist. Es heißt, man wird im Krieg ein anderer Mensch. Doch habe ich keine Zeit, darüber nachzudenken, wie ich jetzt bin. Ich muss an andere Dinge denken, und wenn ich ein anderer geworden bin als der, der ich war, so deshalb, weil ich dauernd an andere Dinge denken muss, bloß nicht an mich. Warum denke ich so etwas? Ich habe Angst, darauf zu antworten. Denn bei einer ehrlichen Antwort, die sich mir mitunter aufdrängt, würde vielleicht etwas in mir kaputtgehen, ohne das ich schlecht leben könnte. Ich kann mich nämlich mitunter des Gedankens nicht erwehren, dass nicht nur andere an all dem Elend schuld sind...“

53 Die Soldatin mit ihrer Gefangenen
     
    Der Mond der wolkenlosen Nacht versteckte sich hinter dem Rücken des Bergmassivs, als Lepa Brena mit Mary-Jo noch bei Dunkelheit ein weites, steil bergan führendes Tal erreichte. Der schwarze Himmel spannte sich blank gefegt und glitzernd von einem Gipfel zum anderen, und an der Nordseite wurde der Talkessel von ausgedehnten Firnfeldern flankiert, die so viel Helligkeit reflektierten, dass die Frauen sicher auf dem Pfad emporsteigen konnten bis zu einem getarnten Unterstand, indem sie übernachteten.
    „In aller Herrgottsfrühe“, wie sich Mary-Jo ausdrückte, gelangten sie auf den Bergkamm, hinter dem sich der See ausbreitete, von dem das Mädchen gesprochen hatte. Das Ufer war flach und sandig, das Wasser wunderlicherweise nicht besonders kalt.
„Unterirdische warme Quellen“, erklärte das Mädchen. „Aber gehen Sie nicht zu weit hinein.“
    Die Pilotin, erleichtert ihre Kleidung abwerfend, hörte gar nicht hin. Sie watete durch den Sand, bis ihr das Wasser an den Hals reichte, und sie staunte sehr über sich selbst, dass sie sich dermaßen über das primitive Bad freute. Sie rieb sich den ganzen Körper mit feinem Sand ab, ließ sich bis über den Scheitel ins lauwarme Wasser sinken, und als sie auftauchte, warf sie einen Blick zu ihrer Bewacherin, die sich im flachen Wasser der Uferzone wusch. In Griffweite auf dem ausladenden Ast einer Krüppelkiefer hatte sie ihre Waffe abgelegt.
    Als Mary-Jo neu belebt zum Strand zurückwatete, sah

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