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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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blickte gebannt hinaus.
    Das plumpe, wuchtige Fahrzeug duckte sich, stemmte sich in die Federbeine, bevor es sich mit einem ohrenbetäubenden Kracher heftig aufbäumte und, noch einmal unwillig bockend, in die Ausgangsposition zurückpendelte, eine weiße Wolke aus dem Rohr der Bordkanone verpuffend, gefolgt von dem blitzartigen Aufzüngeln des sich herauslösenden Geschosses. Eine Erdfontäne schoss fächerförmig vor den UN-Fahrzeugen auf. Sie walzten hinter eine Bodenwelle in Deckung. Der Unteroffizier verließ den Wagen, verschanzte sich in einem Gebüsch auf dem Rand der Bodenwelle, seine Maschinenpistole im Anschlag. Die Journalistin folgte ihm auf dem Fuß.
    „Gehen Sie zurück in den Panzerwagen!“ befahl er.
    Die Reporterin wies nach vorn auf die Anhöhe, blieb.
    Die Einstiegsluke im Turm des Panzers hatte sich geöffnet. Heraus schob sich ein Panzersoldat mit Ledermütze. Vermutlich wollte er sich einen besseren Überblick verschaffen.
Der Unteroffizier gab einen Feuerstoß ab. Der Panzersoldat verschwand. Die Luke klappte zu. Gleich darauf schlug ein Geschoss dicht neben dem Busch ein. Im selben Augenblick gab der Unteroffizier zum Zeichen, dass er noch lebte, wütend einen langen Feuerstoß auf den Panzer ab. Wieder schlug eine Panzergranate vor dem Gebüsch ein, und der Unteroffizier feuerte zurück. Ha, nicht getroffen! schien er damit sagen zu wollen.
    „Vielleicht will er näher herankommen“, sagte der Unteroffizier, heiser vor Erregung. Sein Gesicht war bis unter die dunkelbraunen Haaransätze unter dem Helm rot angelaufen, die Flügel seiner knolligen Nase bebten und die rostfarbenen Augen blitzten unter buschigen Augenbrauen.
    Noch einmal wurde aus dem Panzer geschossen, dann entschloss sich die Besatzung, wie der bosnische Unteroffizier vorausgesagt hatte, näher heranzukommen. Mit einem dumpfen Knurren, das sich durch die Nähe erschreckend anhörte, fuhr der Panzer im ersten Gang an. Langsam kroch er schräg den grasbedeckten Hang herunter, änderte unversehens seine Fahrtrichtung und kletterte im Zickzack tiefer, bis er in den toten Blickwinkel geriet und nur noch sein unverkennbares Grollen vernehmen ließ.
    Bald hörten der Unteroffizier und die Journalistin ein lautes Fauchen aus nächster Nähe.
    „Wenn er herankommt, wird er diesen Busch samt uns beiden in die Luft jagen“, sagte die Reporterin.
    „Dann schieß ich ihm auf den Sehschlitz“, hielt der Uffz entgegen, „und krieche raus, um ihm eine geballte Ladung zu verpassen! Was meinen Sie?“ Er deutete auf mit Draht zusammengebundene Handgranaten an seinem Gürtel.
    Die Journalistin zuckte die Achseln.
    Der Panzer blieb unsichtbar, knurrte irgendwo vor ihnen weiter. Es hatte den Eindruck, als stünde der Panzer immer auf der gleichen Stelle, ohne näher zu kommen oder sich zu entfernen. Plötzlich brüllte ganz nah seine Panzerkanone los, gellend und so dicht bei, dass der Rohrrücklauf zu hören war. Schließlich tauchte der Tank wieder auf, aber nicht vor dem Gebüsch, wie befürchtet, sondern wieder oben am alten Platz.
    „Feiglinge“, stieß der Unteroffizier triumphierend hervor, wischte sich den Schweiß mit dem Ärmel aus dem Gesicht. Wiederum hob sich der Lukendeckel, und für eine Sekunde erschien der äugende Kopf eines Panzersoldaten. Eine behandschuhte Faust schloss die Luke, und der Tank fuhr ein Stück rückwärts. Wie ein Zeigefinger hob und senkte sich das Kanonenrohr, während es sich auf das Gebüsch ausrichtete.
    „Wir verschwinden besser“, keuchte der Unteroffizier, und zog die Journalistin mit sich nach links hinter die Reste einer Steinmauer. Im gleichen Augenblick traf mit ohrenbetäubendem Einschlag die Panzergranate das Gebüsch, wirbelte Erdbrocken auf und schleuderte Geäst hoch in die Luft. Anica hob den Kopf über die Mauersteine, blies erleichtert die Wangen auf und Atem ab, erblickte einen Panzersoldaten, der seelenruhig in voller Größe im Turm stand und mit der Hand die Augen vor der Sonne abschirmte, um das Ergebnis des Treffers zu begutachten.
„Was ist in den Kerl gefahren?“ fragte die Reporterin. „Ist er so überheblich oder einfach nur lebensmüde?“
    Der Unteroffizier schwenkte statt einer Antwort die Maschinenpistole herum, nahm den oberen Rand des Turms und die Schultern des Panzersoldaten ins Visier, drückte ab. Seine zusammengekniffenen Augen und seine aufeinander gepressten Lippen zeigten Anica, dass er in diese leichte Bewegung die ganze Kraft seines Hasses gegen den

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