Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)
sie die andere ihre Uniform spülen. „Sie hätten die MP nicht mit ins Bad nehmen brauchen“, sagte die Pilotin. „Ich wäre Ihnen auch so nicht ausgekniffen.“
„Was halten Sie denn zum Beispiel von Schlangen?“
„Wollen Sie damit sagen, dass es in diesem See welche gibt?“
„In dieser Jahreszeit gehen sie gerne im aufgewärmten Wasser auf die Jagd. Man kann nie wissen. Das habe ich auch gemeint, als ich Ihnen riet, nicht zu weit hineinzugehen. Aber vielleicht wollen auch Sie jetzt Ihre Uniform waschen?“
Mary-Jo hockte sich in den Sand, starrte auf den See hinaus. Gedankenvoll schwenkte sie ihre Hose im Wasser, bis ihr einfiel, dass der Stoff ohne Seife doch nicht richtig sauber werden würde. Ein Soldat wird nicht dafür bezahlt, dass er denkt, sagte sie sich, wrang die Hose aus und hing sie über einen Ast; aber man traf auf die eigenartigsten Menschen.
Wie sie sich umwandte, sah sie das Mädchen an etwas herumstochern, das sich auf dem Sand bewegte. Sie trat hinzu, erkannte ein kleines dunkles Tier, hielt es für einen Krebs. Lepa Brena schleuderte es mit dem Stock ins Wasser.
„Was ist das?“ fragte Mary-Jo.
„Ein Skorpion. Selten in dieser Gegend“, antwortete Brena. „Das Tier wollte es sich in Ihrem Stiefel bequem machen.“
„Oh!“ rief Mary-Jo und erbleichte.
Am jenseitigen Seeufer tauchte eine Gestalt auf, die zwei Fahrräder mit sich führte. Rasch schlüpften die Frauen in ihre Kleider.
„Können Sie Rad fahren?“ fragte das Mädchen.
„Ich kann mich nicht daran erinnern“, antwortete Mary-Jo, „wann ich das letzte Mal auf so einem Ding gesessen bin.“
„Es reicht, wenn Sie das Gleichgewicht halten können. Es geht ständig bergab. Wir rollen beinahe bis zu unserem Bestimmungsort. Nur bremsen müssen Sie.“
„Das werde ich tun“, versprach Mary-Jo.
„Sie sind nicht besonders erpicht darauf, weiterzukommen“, folgerte Lepa Brena.
„Nicht in diese Richtung.“
„Das Gebirge gestattet uns jetzt nur mehr zwei Richtungen: bergauf und bergab.“
„Ich würde lieber laufen. Aber das verstehen Sie nicht.“
„Doch. Wenn man nicht tun und lassen kann, was man will, kommt man ins Grübeln. Sie wollen Zeit gewinnen. Fragt sich nur wofür.“
„Ich mache mir Sorgen um meinen Mann in Sarajevo.“
„Er sollte heimgehen.“
„Ich will mit ihm gehen.“
„Einige Menschen sind so frei, zu handeln nach ihrem Belieben. Andere nicht. Sie gehören jetzt zu letzteren. Das haben wir nun gemeinsam.“
„Meinen Sie?“
„Grübeln Sie nicht so viel! Ist es nicht einer der Hauptzüge echter soldatischer Natur, Gedanken nicht weiterzudenken, die unzeitgemäß sind und für die Zukunft gelassen werden können?“
„Das hat mein Ausbilder auch gesagt damals: eine weit wichtigere Eigenschaft als Wendigkeit und soldatische Haltung.“
„Denken Sie immer dran. Es wird Ihnen Halt geben.“
„Woran können Sie sich anlehnen?“ fragte Mary-Jo. „Einen Mann?“
„Es gibt keinen“, entgegnete das Mädchen ein wenig barsch.
„Noch nie?“ setzte Mary-Jo nach.
Lepa Brena zögerte. „Sie meinen, weil ich so jung bin. Vielleicht... der eine...“
„Und der andere?“
„Kein guter Mann, der es verdiente, dass eine Frau ihn liebt.“
„Warum?“
„Er schwor, mich zu lieben. Er bedrängte mich... nicht nur mit Worten.“
„Sondern...?“
„Er streichelte mich. Durchaus zärtlich. Der zärtlichste Mann... Doch jählings stieß er mich von sich mit den Worten: `Pfui Teufel, Mädchen!´ Hat er vielleicht erwartet, dass ich sogleich alle seine Tätscheleien erwidere?“
„Such weiter nach dem Richtigen“, riet Mary-Jo tröstend. „Jeder Mensch hat sein Gegenstück, seine geistig-gefühlsmäßige Entsprechung in Seelenverwandtschaft. Und die Chance ist immer hundertprozentig größer als angenommen: Der andere sucht ja ebenfalls!“
„Von wem muss ich mir das sagen lassen“, gab die schöne Brena zurück. Doch schnell fügte sie hinzu: „Immer mal wieder kommt es vor, da triffst du einen und hast ihn kaum angesehen: schon bist du weg.“
„Und stets ist es der gleiche Typ“, warf Mary-Jo kameradschaftlich ein.
Lepa Brena nickte. „Er macht noch nicht mal den Mund auf, lächelt bloß, sieht einen an, und schon ist es wieder da... Es packt dich, und du weißt es ganz genau.“
„Stimmt“, pflichtete Mary-Jo mit raschem Kopfnicken bei. „Und man kann gar nichts dagegen machen.“
„Oh doch“, entgegnete Brena eifrig. „Aber dann weißt du wieder:
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