Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)
freiberuflich tätig, wenngleich ich mich ein wenig abgesichert habe. Mit zwei Sendeanstalten zu Hause habe ich feste Verträge. Ex-Jugoslawien ist aktuell. Ich könnte allein von diesen Verträgen leben. Doch ich bestand darauf, noch mit einer internationalen Agentur zusammenarbeiten zu dürfen. Auf diese Weise komme ich einigermaßen zurecht und kann nicht klagen.“
„Das denke ich mir“, sagte die Kamensiek. „Haben Sie große Konkurrenz?“
„Die belebt das Geschäft, ja. Abgesehen von der einen oder anderen Kameracrew von deutschen Privatanstalten, die meist ebenso knapp bei Kasse wie kurzatmig sind, gibt es ernstzunehmende amerikanische Mitbewerber. Die Leute von CNN zum Beispiel sind nicht zu unterschätzen. Da gilt es, früh aufzustehen, wenn man ihnen zuvorkommen will.“
„Nun, wir Deutschen sind ja ausgeschlafene Profis“, sagte Kamensiek blasiert. „Das hat sich inzwischen überall auf der Welt herumgesprochen.“
Auch Frau Kamensiek lächelte mit einem deutlichen Anflug von Stolz. „Zurück zur Ausgangsfrage“, sagte sie. „Mich interessiert hauptsächlich die psychologische Perspektive der Kampfhandlungen hier. Haben die Bemühungen der UNO, zuvorderst die US-Amerikaner, Erfolg, der Bevölkerung von Bosnien-Herzegowina klarzumachen, dass die freie Welt sie vor den anachronistischen Kommunisten Belgrads in Schutz nimmt? Oder ist die Propaganda der Serben nicht ohne Wirkung, was meinen Sie?“
Anica zupfte ihr rechtes Ohrläppchen, bevor sie antwortete. „Vorerst hält sich der Erfolg in Grenzen, denke ich. Die Parteien sind aus hunderterlei Gründen zerstritten, die sogenannte Regierung nicht überall beliebt, das ist vielerorts zu spüren. Außerdem werde ich den Eindruck nicht los, dass die Menschen hier die Anstrengungen der Militärs und Diplomatie, auch der US-amerikanischen, nicht uneingeschränkt zu schätzen wissen. Aber vielleicht irre ich mich da auch.“
Die Kamensieks schüttelten den Kopf. „Ich weiß nicht“, sagte sie, während er äußerte: „Ich glaube nicht, meine liebe Frau Klingor. Leider. In der kurzen Zeit meines Hierseins habe ich dieselben Eindrücke gewonnen. Man soll sich ja bemühen, die Ursachen für die jetzige Situation zu ergründen.“
„Für einen geschulten Blick stellt dieses Land wieder ein großartiges Studienobjekt dar“, erklärte die Kamensiek.
8 Der Partyverlauf
Sie wurden unterbrochen von einer lärmenden Männerstimme.
„Bitte unsere Verspätung entschuldigen zu wollen. Aber nach der unverhofften Granatierung wurden wir noch mitten in der Stadt aufgehalten. Eine Streife hat zwei Passanten erschossen, die auf Anruf nicht stehenblieben. Man vermutete eine Terroraktion separatistischer Muslime und riegelte das gesamte Stadtviertel ab. Wie mir das leid tut!“ Mr. Sparks begrüßte jeden unter strahlendem Lächeln mit Handschlag, wobei er abgehackte Lacher ausstieß.
„Das hat er sich angewöhnt“, sagte manieriert Mrs. Sparks, die hinter ihrem rundlichen Mann erschien, „seit er Burky kennen gelernt hat. Die Deutschen geben einander ständig die Hand. Sogar den Hunden schüttelt man die Pfötchen, ist das nicht einfach niedlich?“
Mrs. Hayward-Ball trank ihren Saft aus und hüstelte verlegen. Frau Kamensiek brachte ein bemühtes Lächeln zustande. Anica hingegen lachte innerlich über die Ironie der sportlich gestrafften, gespannt wie eine Feder wirkenden Amerikanerin, die ihr leicht auf die Schulter klopfte und jovial sagte: „Hello, Reporterin! Sie wollten irgendwohin reisen, in die Gegend um Srebrenica, wenn ich nicht irre?“
„Richtig“, nahm Mr. Sparks das Wort. „Warum lassen Sie sich nicht sehen?“
„Noch fehlt mir die Genehmigung, Colonel“, antwortete Anica. „Das Public-Relations-Center vertröstet mich von einer Woche auf die andere. Angeblich ist für Srebrenica bisher keine Antwort auf die Anfrage gekommen.“
Sparks runzelte die Stirn. Seine gebräunte Gesichtshaut ließ Anica an dünnes Leder denken. „Schwindelei“, rief er. „Ich habe Ihren Antrag persönlich am nächsten Tag nach unserem Gespräch an die zuständigen UN-Stellen weitergeleitet und im Handumdrehen die Genehmigung erreicht. Mit der Maßgabe, dass ich selbst über den eigentlichen Termin entscheide, zu dem Sie kommen. Das hängt mit gewissen Dingen zusammen, auf die man gerne einzelne TV-Reporter ansetzen möchte. Ohne den Rattenschwanz der redaktionellen Wichtigtuer, wenn Sie wissen, was ich meine. Man hat dort einiges vor. Wurde
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