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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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Gang rumpelte der Raumpflegewagen vorbei. „Ich muss jetzt wieder“, flüsterte Djmal hastig. „Ich darf mich niemals durch Gäste von meinen Pflichten abhalten lassen.“
„In Ordnung, Sir“, befand die Journalistin grinsend. „Ich möchte noch etwas schlafen, bevor ich einen Freund besuche. Bitte mich in zwei Stunden zu wecken.“
    Der Junge nickte beflissen. „Gewiss, Madam, bis um zehn gibt es noch Frühstück“, antwortete er. „Und vergessen Sie nicht mir zu sagen, wann ich ins Fernsehen komme.“
    Anica lächelte, als der Junge hinaustrat. Er ist schon in Ordnung, dachte sie, aber da soll sich einer auskennen, was in den Köpfen dieser jungen Leute vorgeht.
    Eine angenehme Besucherin, dachte Djmal auf dem Flur, eine die sich nie betrank und beinahe immer freundlich war. Ab und zu besuchte sie ein Mann. Es war stets derselbe. Und selbst wenn ihr Freund lange ausblieb, suchte sie mit keinem anderen zu schlafen, nicht einmal mit einem der Pagen, die für Dienste dieser Art kleine Geschenke nahmen, während man den Zimmermädchen harte Devisen dafür bot. Manchmal sah sie aus, als ob sie Sorgen hatte. Doch da konnte man sich irren. Wer kannte sich schon in den Gesichtern der Fremden aus. Sie schauten lächelnd beim Töten zu und weinten, wenn sie glücklich waren.
    Anica indes nickte ein. Was sie träumte, war erstaunlich klar. Die Vorgänge liefen rasch hintereinander ab, und sie erinnerte sich hinterher nicht mehr an alle. Doch anscheinend war eine Schlacht gewonnen worden, und der von anderen Würdenträgern begleitete Fliegergeneral reichte ihr die Hand. Ihr wurde der Generalsrang angeboten, sie akzeptierte, fand sich in einer Uniform mit goldenen Sternen wieder. Die Montur war neu, das Hemd frisch gestärkt und die Hose himmelblau und sehr lang, mit goldenen Streifen versehen. Die Jacke mit den fünf Goldsternen auf den Schultern empfand sie als zu eng. Und eine Mütze mit Goldkordel gehörte selbstverständlich dazu. Es war eine Luftwaffenuniform – sie war jetzt Pilotin. Ihr Auftrag schien höchst logisch zu sein. Sie wurde auf einem Tornado eingesetzt, selbstverständlich ein deutscher Kampfjet. Ihr wurden die Bordwaffen erklärt und das Ziel, das auf dem kleinen Bildschirm über dem Steuerknüppel konkret eingezeichnet und beschriftet war. Die Kanonen ihres Jets sahen aus wie übergroße Teleobjektive, wie sie von Fotoreportern und Paparazzi benutzt wurden. Anica flog in einem Geschwader von verschiedenen Flugzeugen unterschiedlicher Nationalität, jedes hatte einen bestimmten Zweck, eine bestimmte Spezialität, einen bestimmten Auftrag. Allmählich wurden die Flugzeuge kleiner. Das nächste vor ihr war nurmehr ein kleiner Segelflieger aus Holz. Die erläuternde Stimme über ihren Kopfhörer wurde zu einem Flüstern: „Kampfmöwen“, raunte die Stimme. „Eine Geheimwaffe. Sehen Sie?“ Sie sah die Tiere, jedoch waren es Tauben, ein ganzer Schwarm Tauben, die gemächlich ihren Jet umkreisten. Sie erkannte ihre entzündeten Augen und ihre verkrüppelten Füße. Die Stimme teilte ihr weitere Einzelheiten mit: Die Tiere seien äußerst intelligent, vortrefflich ausgebildet und mit elektronischen Geräten ausgerüstet.
    Doch dann befand sie sich wieder allein im Cockpit, wo sie rauchte und nachdachte. Irgendetwas beunruhigte sie. Sie konnte keine Kampfpilotin sein, sie wusste, das war unmöglich. In einem unvermittelten Szenenwechsel stand sie wieder vor dem Fliegergeneral. Er grüßte schneidig, nannte seinen Dienstgrad. Dann belobigte er sie für ihren journalistischen Einsatz. Sie erhielt je einen Orden für spezielle Kameraperspektiven, gelungene Schnappschüsse sowie anrührende Porträts von verwundeten Soldaten und zivilen Kriegsopfern; obendrein bekam sie die attraktivsten Veröffentlichungsmöglichkeiten in Aussicht gestellt. Zuletzt entschuldigte sich der General, dass er nicht um Genehmigung gebeten hatte. Seine knappen Worte waren vage und unverständlich, schienen Anica gleichwohl treffend, sinnfällig. Sie sah ihn zu Boden starren und erst den Blick heben, als sie befahl: „Abtreten!“
    Nun verwandelte sich sein Gesicht in das ihres Freundes. Er machte auf dem Absatz kehrt und marschierte davon, unaufhaltsam, zum heillosen Entsetzen von ihr, auch als sie scharf „Halt!“ befahl und schließlich „Bitte, bleib, bitte!“ flehte. In höchstem Maße aber war sie darüber verzweifelt, dass ihr sein Name nicht einfiel.
    Der größere Schrecken des Traums kam zum Schluss. Ihr Cockpit

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