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African Angel - Mit 50 Cents die Welt veraendern

African Angel - Mit 50 Cents die Welt veraendern

Titel: African Angel - Mit 50 Cents die Welt veraendern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harriet Bruce-Annan
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er sein langes Schweigen damit, dass er in London »große Schwierigkeiten« gehabt hätte. Mehr verriet er nicht. Ich verstand auch so, welcher Art diese Schwierigkeiten waren. Er hatte Ärger mit der Frau gehabt, mit der er dort lebte. Sie hatte erfahren, dass er seit Jahren ein Doppelleben führte mit einer Familie in London und einer Geliebten in Ghana. Offenbar hatte er die Londoner Beziehung nun endlich beendet und kam nach Ghana, um mich zu besuchen. Da war Bernard bereits ein Jahr alt.
    Kommt bei uns ein Kind auf die Welt, dann gibt es normalerweise am siebten Tag nach der Geburt ein wichtiges Ritual. An diesem Tag muss der Vater erscheinen und dem Kind den Namen geben – seinen afrikanischen Namen, den jeder bei uns neben dem christlichen oder europäischen trägt. Gleichzeitig erkennt der Mann damit in aller Form und vor aller Welt seine Vaterschaft an, weshalb dieses Fest so bedeutsam ist. Auf Ga heißt es Kpodjiemo , das bedeutet auf Englisch so viel wie »Outdooring« oder auf Deutsch »Rausholen«, »In die Welt bringen«. Auf Twi, der Sprache der Ashanti, spricht man von Ebadintuo , »Kindsbenennung«.
    Die ersten sieben Tage darf das Neugeborene das Haus nicht verlassen und keine Sonne sehen und wer die afrikanische Sonne kennt, der versteht, warum man dies für gefährlich hält. Dann, am siebten Tag, kleiden sich alle in Weiß, die Farbe des Sieges. Schließlich hat die Mutter nach neun Monaten Schwangerschaft die Probleme der Geburt besiegt und ein Kind zur Welt gebracht. Frühmorgens trägt man das Baby zur Vaterfamilie, wo es der Vater nackt auf die bloße Erde legt.
    Nun beginnt das Ritual: Man gibt dem Säugling etwas in den Mund, legt die Finger auf seine Augen, dann auf die Ohren. Dabei spricht man rituelle Texte. Das Neugeborene soll durch diese Handlungen ein guter, diskreter Mensch werden, kein Plappermaul, das durch sein Gerede Unruhe in die Welt bringt. »Was für die Augen ist, sei für die Augen, nicht für den Mund. Was für die Ohren ist, sei für die Ohren, nicht für den Mund.« Und so weiter.
    Natürlich war auch bei mir sieben Tage nach meiner Geburt dieses Ritual durchgeführt worden. Mein Vater hatte bereits einen Namen und aus der Verwandtschaft eine Person voller guter Eigenschaften ausgewählt. Man glaubt, dass das Kind Charakter und Wesenszüge desjenigen annimmt, der das Ritual vollzieht. Bei mir hatte diese Aufgabe eine äußerst starke Tante übernommen und tatsächlich bin ich ihr sehr ähnlich geworden. Es scheint also zu funktionieren.
    Zur Zeremonie gehört auch, dass man aus einer Kalebasse Wasser auf das Kind spritzt, ähnlich wie bei der christlichen Taufe. Anschließend wird der Name ausgesprochen.
    Der Name, den mein Vater für mich ausgesucht und mit dem die Tante mich benannt hatte, lautet Dansowaa, was »Dansoua« gesprochen wird. Jedes Kind erhält außerdem noch einen Namen nach dem Wochentag der Geburt, und da ich an einem Sonntag geboren worden bin, heiße ich Akosua. Natürlich haben wir alle, seit die Briten in Ghana gewesen waren, auch einen englischen Vornamen, meiner lautete ursprünglich Grace. So hieß ich als Kind mit vollem Namen Grace Akosua Dansowaa Ani-Agyei (sprich: Anjadschej). Nenne ich meinen afrikanischen Vornamen, weiß in Ghana jeder sofort, dass ich eine Ashanti bin, denn diese Namen enden alle auf -owaa.
    Und warum heiße ich heute Harriet? Das kam so: Meine ganze Kindheit über hatte ich den Namen Grace oder Dansowaa getragen. Aber als ich zwölf Jahre alt war, hatte meine Mutter, damals noch Makola-Marktfrau, eine Freundin und wichtigeGeschäftspartnerin, von der sie mit Geheimtipps und Waren versorgt wurde und die Harriet hieß. Ihr zu Ehren beschloss meine Mutter eines Tages, mich kurzerhand umzubenennen. Ich war darüber hocherfreut, denn damals hieß jedes zweite Mädchen Grace und ich hasste diesen Namen. Harriet dagegen war äußerst selten, also durchaus etwas Besonderes. Von da an war ich Harriet und noch heute gefällt mir dieser Name außerordentlich gut.
    Nach der Namensgebungszeremonie wird ein großes Fest veranstaltet – je größer, desto besser. Afrikaner achten sehr darauf, ob eine Familie in der Lage ist, bei Gelegenheiten wie einer Hochzeit, Namensgebung und Beerdigung eine große Feier auszurichten, und viele Familien machen hohe Schulden, um die Erwartungen nicht zu enttäuschen. Manchmal braucht eine Familie länger als sieben Tage, um dieses Fest standesgemäß vorzubereiten. Dann werden die

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