African Angel - Mit 50 Cents die Welt veraendern
gab es eine private Klinik, in die sie mich zunächst brachten. Als der Arzt mich sah, sagte er: »Nein, bringt das Mädchen bitte in ein Krankenhaus.« Meine Mutter war mit den Nerven vollkommen fertig.
Im Krankenhaus, dem Korle Bu Teaching Hospital, mussten sie mich zunächst an ein Bett binden, sonst hätten sie mich gar nicht behandeln können, so sehr schlug ich selbst bewusstlos um mich. Sie hatten mich derart stark an Armen und Beinen gefesselt, dass ich noch Jahre später Schmerzen in den Gelenken hatte. Dann pumpten sie mir den Magen leer. Mir wurde erzählt, dass man durch die durchsichtige Kanüle genau gesehen hätte, wie das Gift aus mir herausgeflossen kam.
Ich lag im Koma. Wie lange, weiß ich nicht: mehrere Tage, vielleicht auch Wochen. Niemand gab mir eine Überlebenschance. Sie hatten mich auf die Sterbestation gelegt, auf der sich zehn Todeskandidaten befanden. Kaum jemand kam dort lebend heraus. Für mich hatten sie alle Hoffnungen aufgegeben.
Mein Selbstmordversuch war ein Riesenskandal. Jeder wusste, dass mich meine Mutter zu diesem Schritt getrieben hatte. Alle hatten zugesehen, aber auf einmal war meine Mutter die Böse. Denn in unserer Kultur gibt es kein schlimmeres Unglück als den Tod einer Schwangeren. Eine Schwangere darf nicht sterben. Sonst muss die Familie viele Rituale vollziehen, um dieses Unglück zu sühnen. So will es die Tradition. Wenn die Schwangere auch noch selbst Hand an sich legt, ist das Ganze noch viel schwerwiegender. Nun ging es im ganzen Viertel herum: Harriet war schwanger und wollte sich töten – und ihre Mutter war schuld daran.
Hatte sich vorher niemand um mein Leid geschert, ja, waren sich alle einig gewesen, dass ich mein Kind abtreiben sollte, so war ich auf einmal der Mittelpunkt unserer beiden Familien. Vor allem die Vaterseite war aufgeschreckt. Eine junge schwangere Ashanti lag im Sterben, durch ihre eigene Mutter – eine Ga – in den Tod getrieben! Das war im Glauben meiner Verwandten ein schweres Vergehen, das sie nicht so einfach hinnehmen würden. Während ich in einem todesähnlichen Schlaf lag, machte sich daher in Agogo-Hwidiem, der Heimat meines Vaters, eine Delegation auf den weiten Weg, um nach mir zu sehen und meine Mutter zur Rechenschaft zu ziehen und zu bestrafen, sollte es mir nicht gut gehen.
Meine Mutter hatte also allen Grund, an meinem Krankenbett um meine Genesung zu beten. Zu der Angst um die Tochter gesellte sich die Furcht vor Misshandlungen durch die Schwiegerfamilie. Seit Wochen hatten ihr die eigenen Verwandten zugesetzt und nun mischten sich auch noch die verhassten Ashanti ein, die sie von Anfang an nicht akzeptiert hatten und nur auf eine Gelegenheit wie diese zu warten schienen, um ihr zu schaden. Meine Mutter wusste, dass sie mit schweren Misshandlungen rechnen musste, und fürchtete sich sehr. Schließlich traf die Abordnung aus Hwidiem ein, eine große Gruppe von finster blickenden Ashanti. Sie versammelten sich um mein Krankenhausbett und starrten dieses junge schöne Mädchen an, das wie tot dalag. Hoch wölbte sich der Bauch der Schwangeren unter der leichten Decke. Das Mädchen war bleich. Sie waren sich einig: Akosua Dansowaa Ani-Agyei würde wohl nie wieder zum Leben erwachen.
Womit niemand mehr gerechnet hatte, wurde schließlich wahr. Es grenzte an ein Wunder: Genau in dem Moment, als alle die Hoffnung aufgeben wollten, um sich in ihrem Zorn meiner Mutter zuzuwenden, wachte ich auf. Ich schlug die Augen auf und das Erste, was ich erblickte, waren diese unglaublich vielen Menschen, die um mein Bett versammelt waren und mich anstarrten. Sie sahen komisch aus, als gingen lauter Zickzacklinien durch ihre Körper hindurch. Das Nächste, das ich wahrnahm, war lautes Singen. »Halleluja, Halleluja, praise the Lord …«, ich erkannte die Stimme meiner Mutter.
Ja, sie konnte dem Herrn wirklich dankbar sein. Nicht nur, dass ihre Tochter von den Toten auferstanden war, der Lobgesang meiner Mutter war auch ein deutlicher Hinweis an die Adresse der Schwiegerfamilie: »Halleluja, Halleluja, jetzt könnt ihr mir nichts mehr tun!«
Mir war das alles egal. Mich interessierte nur mein Baby. Niemand glaubte, dass es die Vergiftung überlebt haben könnte. Wenigstens, so dachten wohl alle, ist das Kind weg. Doch während meine Mutter ihr Halleluja sang, bewegte sich in meinem Bauch mein Baby. Alle starrten auf das Leintuch über meinem Körper, das Zucken war einfach nicht zu übersehen, und bestaunten nach meinem
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