African Angel - Mit 50 Cents die Welt veraendern
an der Royal Academy of Accountancy an, wo ich innerhalb von zwei Jahren eine Art Fachhochschulreife mit besonderen Qualifikationen in Wirtschaftsfächern ablegen konnte.
Ich merkte, dass ich Bukom verlassen musste, wollte ich nicht meine Perspektiven verlieren. Niemals habe ich es so deutlich gespürt wie in den Wochen nach Bernards Geburt, dass die Umgebung den Charakter maßgeblich prägt. Bis heute ist diese Erfahrung für meine Arbeit bei African Angel von größter Bedeutung. Ich habe am eigenen Leib erfahren, wie wichtig eine fördernde Umgebung für die Entwicklung ist. In jenen Wochen hatte ich gelernt: Wollte ich einmal den Kindern in Bukom wirklich helfen, dann müsste ich dafür sorgen, dass sie dieses Umfeld verlassen können.
Besonders an eine Begebenheit erinnere ich mich noch genau. Bernard hatte von meiner Mutter ein äußerst schönes Spielzeug bekommen. Auf einmal war es verschwunden. So ist das in Bukom; nichts ist abschließbar, man lebt mit den Nachbarn auf engstem Raum, eine Wohnung geht in die nächste über. Damals packte mich eine heilige Wut: Dann gehe ich eben zum Voodoo-Priester, dachte ich, und finde heraus, wer das genommen hat. Da wurde mir klar, dass meine Tage in Bukom gezählt waren. Voodoo? Wegen eines gestohlenen Kinderspielzeugs? War es schon so weit mit mir gekommen? Auf diese Weise hatte ich selbst erlebt, wie sich in einer Umgebung, in der die Menschen beim kleinsten Anlass auf Voodoo-Praktiken zurückgreifen, ganz allmählich die Werte verschieben.
Nachdem ich mich bei der Wirtschaftsschule eingeschrieben hatte, zog ich wieder in die Wohnung in Adabraka zurück. Im winzigen Haus meiner Großmutter, in dem es zuging wie in einem Taubenschlag, hätte ich nicht vernünftig lernen können. Die Wohnung, in der ich groß geworden war, stand inzwischen so gut wie leer, denn mein Vater wohnte bei seiner neuen Frau und kam nur selten zurück und meine Mutter hatte sich ein eigenes Haus gebaut. Ich habe keine Ahnung, wie sie das geschafft hatte. Es war noch nicht fertig gewesen, als sie dort einzog. Es war ihr Stolz, der sie dazu trieb, schließlich hatte ihre Rivalin auch ein Haus. Da konnte sie nicht hintanstehen, auch wenn sie sich für diese Eitelkeit verschulden musste.
Meine Oma betreute den kleinen Bernard und ich ging wieder zur Schule. Leider erwies sich die Entscheidung für die Wirtschaftsschule als ein Fehler. Von Anfang an war ich die Beste dort und hatte keinerlei Konkurrenz. Um es zusammenzufassen: Ich war hoffnungslos unterfordert. Ich zog aus diesemUmstand die Konsequenzen und beschloss, das Abitur nachzuholen. Ich war inzwischen Anfang 20, doch fest entschlossen, meinen Weg zu gehen. Schließlich müssen nicht alle Lebenslinien gerade verlaufen. Unsere Familie war auseinandergerissen, jeder folgte seiner eigenen Spur. Ich sprach mit einem Onkel, dem mein Vater einst eine Stelle bei Ghana Oil verschafft hatte, und überzeugte ihn davon, dass es gut angelegtes Geld war, mir das Abitur zu finanzieren.
An mein altes Gymnasium wollte ich nicht mehr zurück. Dort kannte jeder meine Geschichte. Ich wollte weg, weit genug weg, um neu anfangen zu können. Darum meldete ich mich in einem Internat in der Kleinstadt Somanya an, die eine gute Autostunde von Accra entfernt liegt. Dort wusste niemand, dass ich bereits Mutter war. Ich wollte endlich nachholen, was ich versäumt hatte: eine unbeschwerte Schulzeit.
Ich bin meinem Onkel und allen anderen, die dabei geholfen haben, diese drei Schuljahre zu finanzieren, heute noch dankbar. Sobald ich die Möglichkeit hatte, habe ich die Kinder meines Onkels unterstützt, was sich bis heute nicht geändert hat.
Es tat gut, nach dem Drama um meine Schwangerschaft und der Geburt ein wenig von dem sorglosen Leben einer Gymnasiastin nachzuholen. Im Internat hielt ich geheim, dass ich bereits ein Kind hatte. Die anderen Mädchen hätten mich sonst nicht akzeptiert und mich ausgeschlossen. Ich wollte so gerne endlich wieder dazugehören. In Afrika sind die einzelnen Lebensabschnitte viel stärker voneinander getrennt als in Europa. Bekommt bei uns ein Mädchen ein Kind, dann wechselt sie in den Status einer »Mama« und kann nicht einfach so in das Leben einer Schülerin zurückkehren.
Also führte ich eine Art Doppelleben: In der Schule war ich eine unbekümmerte junge Frau, die sich in nichts von den anderen unterschied. In den Ferien war ich in Bukom Bernards Mama. Auch von der Schule aus organisierte ich seine Betreuung. Sobald mein
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