African Angel - Mit 50 Cents die Welt veraendern
nach meiner Mutter, auch ich wollte so selbstständig wie nur möglich bleiben. Wir Afrikanerinnen wissen schließlich genau, dass wir uns im Ernstfall nur auf uns selbst verlassen können. Hatte ich nicht in der eigenen Familie gesehen, wie es einer Frau ergehen kann? Wer hätte je geglaubt, dass mein Vater meine Mutter in der schlimmsten Zeit ihres Lebens so im Stich lassen würde?
Diese Gedanken waren nicht ständig präsent. Es war einfach selbstverständlich für mich, dass ich für mich und mein Kind selbst sorgen würde, so wie es alle Frauen in meiner Familie getan hatten. Und ganz ohne persönliche Beziehungen stand ich schließlich auch nicht da. Der Bruder einer guten Freundin arbeitete bei der Eco Bank und trug mich auf der Bewerberliste an oberster Stelle ein. Dennoch war mir klar, dass es womöglich Jahre dauern könnte, bis ein passender Job frei würde. Wer in Ghana eine Stelle hat, der gibt sie nicht so schnell auf.
Und dann geschah das Unfassbare. Wie aus heiterem Himmel fiel mir ein wunderbarer Job direkt in den Schoß.
Ich war gerade beim Kochen, als das Glück zuschlug. Der Maniok köchelte vor sich hin, während ich mit anderen Mädchen im Garten unter unserem Baum saß und mit ihnen herumalberte. Wir machten Witze über die Leute, die vorübergingen, und vertrieben uns die Zeit. Da kam auf einmal eine meiner Freundinnen aus der Nachbarschaft angerannt und rief:
»He, Harriet, da sucht einer nach dir!«
Ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprach.
»Was? Wer sucht nach mir?«
»Ein Weißer! In einem großen Auto!«
Die anderen Mädchen stießen sich mit den Ellenbogen in die Seiten, feixend und plappernd.
»Ein Weißer! Harriet, woher kennst du denn diesen Weißen? Was will der wohl von dir?«
Ich habe das alles zunächst überhaupt nicht ernst genommen, überzeugt davon, dass mich die Mädels auf den Arm nehmen wollten. Doch meine Freundin ließ nicht locker.
»Doch, Harriet, komm mit! Komm doch, lass uns nachsehen, wer das ist und was er von dir will!«
Ich gab schließlich nach. Und richtig, dort am Ende der Straße stand ein dickes Auto und ein großer schlanker Weißer in einem eleganten Sommeranzug sah sich unschlüssig um.
Ob ich Harriet Ani-Agyei sei, wollte er wissen.
»Ja«, sagte ich völlig perplex.
»Wir möchten Ihnen eine Stelle anbieten«, meinte dieser weiße Mann.
Ich dachte, ich träume. Die Mädchen um mich herum starrten mich mit offenem Mund an. Diese Harriet war für Überraschungen gut. Da zerbrachen sich alle den Kopf, wie sie am besten eine Arbeit finden könnten, und hier kommt ein Europäerextra im Wagen angefahren, um Harriet auf dem silbernen Tablett einen Job anzubieten. Doch ich blieb misstrauisch. Irgendeinen Haken musste die Sache doch haben.
»Wie kommen Sie denn ausgerechnet auf mich«, fragte ich.
Der Mann sah auf einen Zettel, reichte ihn mir. Mein Name samt Adresse stand darauf.
»Sind Sie das?«
»Aber ja! Woher haben Sie die Angaben?«
»Von der Eco Bank. Die haben uns Sie empfohlen.«
Und dann erzählte er, dass er für eine deutsche Straßenbaufirma arbeite, die in Ghana große Staatsaufträge ausführe. Sie bräuchten eine Programmiererin und hätten sich deswegen mit ihrem Bankmanager beraten. Dort hätte man auf der Bewerberliste nachgesehen und meinen Namen, dank des Bruders meiner Freundin, an erster Stelle gefunden. Mir wurde klar: Wenn ich nicht schnell zugriff, dann würde die Nummer zwei auf der Liste diese Chance bekommen.
»Wann soll ich mich bei Ihnen vorstellen?«, fragte ich.
»Sofort«, war die Antwort. »Wenn Sie bereit sind, nehme ich Sie gleich zum Vorstellungsgespräch mit.«
Da blieb sogar mir die Spucke weg. Ich bat um fünf Minuten, in denen ich den Herd abschaltete und mich rasch umzog. Dann stieg ich in meinem schicksten Kostüm und auf hohen Hacken in den eleganten Wagen. Zurück blieben meine staunenden Nachbarinnen, die nicht so recht wussten, was sie von der ganzen Sache zu halten hatten, ob sie sich mit mir freuen oder eher neidisch sein sollten. Mir war klar, dass man über mich tratschen würde. Da steckte doch sicherlich etwas dahinter. Ohne Weiteres kam doch nicht einfach so das große Glück in einer Limousine angefahren. Harriet war allerhand zuzutrauen und die Klatschmäuler sollten lange Zeit nicht stillstehen.
Es gehört wohl zu meinem Schicksal, dass es in meinem Leben keine halben Sachen gibt. Entweder es wirft mir das große Los in den Schoß oder stößt mich ganz nach unten. Diesmal hatte
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