African Boogie
Reitersattel. Blut lief ihr aus Mund und Nase. Ihr Unterleib ruckte vor und zurück.
Katharina sah sich hektisch um, entdeckte das Stromkabel, das zu dem Sattel führte, und riss es aus der Steckdose. Das Rucken hörte auf. Der Freiherr war schon auf das Bett gesprungen, versuchte die Jack-ooo von dem Gerät herunterzuziehen, doch sie hing fest. Er tastete nach dem Puls. Dann nickte er Katharina zu. Die Jack-ooo lebte. Noch.
Katharina stürzte aus dem Bungalow. Hilfe holen! Aber woher? Zurück zum Rezeptionsgebäude, Harry finden und mit etwas Glück auch Sandra Herbst? Oder zu Andreas Amendt? Die Entscheidung wurde ihr abgenommen. Einer der Angestellten kam auf sie zugelaufen, die Hand schon am Griff seiner Betäubungspistole. »Holen Sie Harry!«, schrie Katharina ihn an: »Harry!«
Er begriff, drehte um und eilte davon in Richtung Rezeptionsgebäude. Katharina lief zu Andreas Amendts Bungalow. Es brannte noch Licht. Sie klopft lautstark. Javier öffnete ihr die Tür.
»Schnell, ich brauche Doktor Amendt.«
»Der ist gerade im Bad.«
»Wir haben einen Notfall.«
Die Badezimmertür sprang auf. Andreas Amendt, nur mit einer Jeans bekleidet, stürzte heraus: »Wo?«
Statt zu antworten, lief ihm Katharina voraus. Doch sie kamen zu spät. Das wusste Katharina schon, als sie den Bungalow der Jack-ooo betraten.
Der Freiherr hatte die Frau mitsamt dem Sattel vom Bett heruntergewuchtet. Verzweifelt versuchte er Herzmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung; immer wieder wischte er Blut aus Mund und Nase der Frau, sein heller Tropenanzug war rot verschmiert. Amendt kam ihm zu Hilfe: Gemeinsam mit von Weillher setzte er den zähen Ringkampf um das Leben der Frau fort.
Endlich ließen sich beide erschöpft auf die Knie sinken. Es hatte keinen Zweck mehr.
Die Stille nach der Hektik war bedrückend. Amendt und der Freiherr saßen fassungslos auf dem Boden. Javier kniete neben der Toten. Er betete. Katharina konnte nichts anderes tun, als sich am Türrahmen festzuhalten und in den Raum zu starren. Sie hatte versagt. War zu spät gekommen. Genauso gut hätte sie die Jack-ooo selbst umbringen können. Das Ergebnis war das Gleiche.
Harry fasste sie an der Schulter. Er und Sandra Herbst waren, in Begleitung von Augustin, endlich gekommen.
Plötzlich ging ein Ruck durch Katharinas Körper: Handeln! Jetzt!
»Wir müssen die Leiche hier wegschaffen! Möglichst so, dass die anderen Gäste nichts davon mitkriegen«, kommandierte sie. »Doktor Amendt, können Sie gleich eine Autopsie machen? Wir müssen wissen, woran sie gestorben ist.«
Der Arzt nickte stumm.
Harry, Sandra Herbst, Andreas Amendt und Augustin hatten die Leiche in das Laken des Bettes gehüllt und mitsamt dem Sattel hinaus in die Dunkelheit getragen. Der Freiherr saß totenblass in einem Korbsessel. Javier stand mitten im Raum, als traue er sich nicht, sich zu rühren.
Katharina war hektisch dabei, das Zimmer zu durchsuchen. Nichts, was Aufschluss gab. Zumindest nicht über den Mord. Eine Großpackung Kondome, Gleitcreme und ein paar plüschbezogener Handschellen lagen im Nachtschränkchen. Im Bad Make-up und Kosmetik-Artikel, die für eine professionelle Visagistin ausgereicht hätten. Im kleinen Medikamententäschchen die Pille, Aspirin und … ein halb leeres Fläschchen mit Ipecac, einem starken Brechmittel: die Droge der Schönen und Schlanken.
Im Kleiderschrank hing sorgfältig geordnet eine aufwendige Garderobe, darunter Dessous im Wert von über tausend Euro, wie Katharina gleich erkannte.
Aber nirgendwo gab es persönliche Gegenstände. Keine Fotos. Im Adressbuch nur Namen von Geschäftspartnern und Firmen. Selbst der Schmuck war von der Stange. Etwas, das man sich kaufte, weil man ein Accessoire brauchte. Nichts, was man geschenkt bekam oder in das man sich im Schaufenster verliebte und sich mit schlechtem Gewissen gönnte.
Im Papierkorb lagen Einwickelpapiere von Schokoriegeln und benutzte Taschentücher. Katharina faltete eines davon vorsichtig auf. Make-up-Spuren, ein paar Wimpern. Die Jack-ooo hatte geweint. Und Schokolade gegessen. Trost-Nahrung.
Plötzlich schämte sich Katharina. Sie hatte sich über die Jack-ooo und ihre Männermenüs lustig gemacht. Aber die junge Frau musste zutiefst einsam gewesen sein. Bestimmt hatte sie sich nach jedem Abenteuer ein kleines bisschen schmutziger gefühlt. Leerer. Vermutlich hatte sie ihre Liebhaber nach Ende des Aktes hinauskomplimentiert. Oder sie waren geflohen, heimlich, mitten in der Nacht. Vielleicht
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