African Queen
ist es Collin unmöglich, dem Beamten zu erklären, warum eine Fünfsternelodge im Busch keine Fernseher braucht. Collin sagt, die Leute kommen nicht in den Busch, um fernzusehen, sie kommen, um den Busch zu sehen, aber genau das kann ein Afrikaner nicht verstehen. Die Sache ist durchaus ernst. Vor zwei Wochen haben Mitarbeiter der Behörde die Lodge inspiziert, jeder mit einem Zettel in der Hand, auf dem die Must-Haves einer Luxuslodge standen. Collin könnte einen Stern verlieren, wenn er den zuständigen Beamten nicht davon überzeugen kann, dass in seinen Dschungelköniginnen-Traumchalets ein Flachbildschirm wie eine Ohrfeige wirkt. «Der Lake of Stars braucht keine TV-Stars», sagt Collin, und dieses lokalpatriotische Argument verfängt erst mal.
«Aber was ist mit den Tischen am Strand?», fragt der Beamte.
«Was soll damit sein?»
«Warum speisen Ihre Gäste nicht in der Dining Hall?»
Jetzt geht es also um den Unterschied zwischen Camping und Candle-Light-Dinner unter Sternen.
Auf dem Gemüsemarkt ist es viel netter. Die Farben der Früchte mischen sich vortrefflich mit den bunten Kopf- und Körpertüchern der Frauen. Die Händlerinnen lachen viel und herzlich, während Collin mit ihnen feilscht. Sie lieben es, wenn ein Weißer sich auskennt und sich nicht verarschen lässt, sie flirten sogar mit ihm, egal, wie alt sie sind. Collin kauft hundert Kilo Kartoffeln, dreißig Kilo Karotten, jeweils zehn Kilo Paprika, Avocados, Zitronen, Orangen, Äpfel und so weiter und so weiter. Vom Fleischmarkt, zu dem ich ihn nicht begleite, braucht er jeweils zehn Kilo Hack- und Rindfleisch, und im Supermarkt müssen es mindestens zwanzig tiefgekühlte Hähnchen aus Brasilien sein, denn die afrikanischen Hühner sind zu mager, und eine Rasse aus Schottland in der Lodge zu züchten, hat auch keinen Sinn, die Warane würden sie fressen. Er kauft noch hundert Eier und hundert Liter Milch sowie fünf Kisten Wein, fünf Kisten Cola, eine Kiste Whisky, eine Kiste Gin, eine Kiste Wodka und eine Kiste Rum. Und was mache ich? Ich habe nur fünf Punkte auf meiner Einkaufsliste abzuarbeiten und noch nicht mal damit angefangen.
Spiegel für Lisa.
Seife für Lisa.
Schokolade für Lisa.
Taschenlampe für mich.
Zwei Macheten.
Punkt vier und fünf sind nicht das Problem. Die sind nicht emotional behaftet. Die Einkäufe für Lisa fallen mir schwer. Ich will sie nicht wütend tätigen, bin es aber leider sehr. Ich bin wütend, weil ich es nicht schaffe, nicht an sie zu denken. Das hatte ich mir eigentlich für den Ausflug vorgenommen. Ein bisschen Frieden, ein bisschen Freiheit, vielleicht sogar so frei, dass ich mich frei entscheiden kann, wie es weitergeht. Ab Lichinga fahren Überlandbusse sonst wohin, Lichinga hat sogar einen Flughafen mit einer 1800 Meter langen Rollbahn. Das reicht für Mittelstreckenmaschinen, das reicht für Tansania, und das reicht für Maputo, die Hauptstadt Mosambiks, die das Rio von Afrika sein soll. Aber nichts davon liegt an meinem Weg, solange ich an Lisa denken muss. Also vergiss es. Aber vergiss nicht die Geschenke.
Am Abend wird es besser. Wir sitzen im Restaurant «1 & 2», dem einzigen, das man in Lichinga empfehlen kann. Hier speisen Afrikaner, die allein schon deshalb rundum zufrieden sind, weil sie zur Mittelklasse gehören. Der Laden hat keine Fenster, aber Atmosphäre und verflucht nonchalante Kellner. «Siehst du, Collin, das fehlt deinen Leuten noch. Wahre Professionalität ist entspannt.» Und Collin sagt: «Exakt.» Auch das ist eines seiner Lieblingsworte. Wir gehen mit Johnnie Walker und führen Männergespräche. Collin erzählt mir von einem Paar, das häufig in der Lodge zu Gast ist. Und immer ist es dasselbe. Tagsüber sind sie nett zueinander, aber abends, wenn sie zu trinken begonnen haben, schlägt die Frau ihren Mann. Nicht mit der flachen Hand, sondern mit der Faust, voll ins Gesicht. Und er wehrt sich nicht. «Ist doch klar», sage ich, «sie verachtet ihn, weil er nicht zurückschlägt», und Collin sagt: «Exakt.»
Wir sind modern und ticken archaisch. Das ist unser Problem. Eine Frau liebt es, kontrolliert zu werden, das gibt ihr die Gewissheit, wertvoll zu sein. «Exakt.» Eine Frau, die ihren Mann zu demütigen versucht, prüft seine Männlichkeit. «Exakt.» Eine Frau, die ihren Mann schlägt, will endlich eine Antwort darauf, ob er es wert ist, Vater ihrer Kinder zu sein. «Exakt.» Sie will keine Söhne von einem Schwächling. Exakt. Exakt. Exakt. So geht es mit
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