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African Queen

African Queen

Titel: African Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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geht auch. «The House of the Rising Sun» war das erste Lied, das ich zu spielen lernte und das auch jeder mitsingen kann. An tausend Feuern gezupft, an tausend Feuern gesungen. Der Blues der einsamen Jungen. Oder «Hey Joe», die Ballade der Betrogenen. «Let It Be» kann ich auch ganz gut. Aber wo, zum Teufel, ist meine Stimme? Ich singe so Dinge wie «I’m going down to shoot my old lady» im Flüsterton, und so geht es nicht. Da wirbelt der liebe Jimi Hendrix im Grab herum, bis kein Knochen mehr neben dem anderen liegt. Collin dagegen singt gut. Betrunken und dilettantisch, aber das gehört am Feuer dazu. «We don’t need no education, we don’t need no thought control.» Im Büro ist er Diktator, am Feuer Anarchist.
    Und Lisa?
    Diese Frau hat kein Problem mit dem Ungleichgewicht des Schreckens. Sie findet es ganz gut, wenn sie die Stärkere ist und die Männer nach ihrem Ego tanzen. Dass sie dabei ihre Anziehungskraft verlieren, stört sie anscheinend nicht. Einerseits. Andererseits wäre sie natürlich auch ganz gern stolz auf mich. Okay, sie steckt das weg. Aber die Doppelbelastung bleibt. Die Lodge und ich. Und weil sie still und heimlich hofft, doch noch ihre Entscheidung gegen die Lodge rückgängig machen zu können, ist für sie wieder mal «Die Lodge oder er» die entscheidende Frage. Sie sagt das nicht. Ich fühle das nur. Der Lügendetektor schlägt an wie ein Kettenhund. Jede Regung in ihrem Gesicht, jede Vergrößerung ihrer Pupillen, jedes Wort, das sie spricht, wird auf die Goldwaage gelegt. Und auch jedes Wort, das sie nicht spricht. Jede Pause, jedes Zögern, jedes Zurückpfeifen eines vorschnellen Gedankens. Ich bin schwerhörig. Aber ich sehe alles. Ich lass mich nicht verarschen. Sie fragt: «Hast du Heimweh?» Ich sage: «Ja.» Sie sagt: «Dann flieg zurück. Ich will, dass es dir gutgeht.» Aber das nehme ich ihr nicht ab. Ich glaube, sie will, dass es ihr gutgeht. Ich glaube, sie will mich loswerden. Sie liebt Afrika mehr als mich. Okay, vielleicht ist das verständlich. Aber gefallen muss es mir nicht. Die Eifersucht ist eine Bestie, wie das Krokodil. Sie frisst alles, was sie kriegt. Darum will ich, bevor es zu spät ist, wissen, woran ich bin, und setze ihr die Pistole auf die Brust. Showdown bei Sonnenuntergang. Auf Peters Terrasse.
    Die ist übrigens wahnsinnig schön. Das ganze Haus ist ein Traum. Naturstein, ein helles Schlafzimmer mit einem großen Bett, ein Arbeitszimmer, ein Kinderzimmer und reduziertes Mobiliar, was wichtig ist. Man stößt sich nicht, Körper und Geist haben Raum in Peters Haus, und die Terrasse ist noch mal so groß wie die drei Zimmer zusammen, überdacht, schattig, zwei Kanapees, ein paar Sessel, ein Arbeitstisch, und doch wirkt sie nicht vollgestellt und bietet genügend Platz, um in den Schreibpausen auf und ab zu gehen. Der See ist zwanzig Meter entfernt. Das letzte Licht liegt wie Silber auf ihm. Ein Adlerpaar zieht synchron seine Runden. Und Lisa sagt, dass sie es nicht mehr mitansehen kann, wie sich ihr Held in einen sterbenden Schwan verwandelt. Und dass sie verzweifelt ist, aber auch wütend auf sich. Sie hat gewusst, dass es so kommen wird. Sie kennt sich, es ist immer so gekommen. Sie ist einfach nicht beziehungskompatibel und hier in der Lodge schon gar nicht. Damit hat sie bereits beantwortet, was ich wissen will. Sie steht nicht länger hundertprozentig zu mir. Seitdem wir die Lodge betreten haben, zieht sie sich zurück. Wir sind kein Team mehr. Wir gehen und bleiben nicht mehr, wie es uns gefällt, und das «uns» wird leer, wenn nur ich es bewohne. Ich sollte es ebenfalls verlassen, bevor ich rausgefegt werde. Die Gnade des Schicksals gibt mir die Gelegenheit dazu. Collin fährt morgen für zwei Tage in die Zivilisation. Er muss Einkäufe machen und Behörden aufsuchen. Und er nimmt mich mit. Und ich nehme außer meinem Pass auch mein gesamtes Bargeld und meine Kreditkarte mit. Und Lisa weiß das nicht. So gut kennt sie mich noch nicht. Ich verschwinde manchmal spurlos, wenn es sein muss.

    Collin und ich müssen früh raus am nächsten Morgen, denn der Weg in die Provinzhauptstadt Lichinga ist weit und schwer, und der Malawisee wellt sich wie ein Meer. Das Wetter hat sich wieder mal gedreht. Unsere Freundinnen verabschieden uns am Landungssteg, und als ich Lisas Erleichterung spüre, mal für zwei Tage allein zu sein, fällt mir der Abschied ein bisschen schwer. Das Speedboot wirft sich auf die Wellen, und nachdem wir das natürliche Tor

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