African Queen
tuckert es los, holt Collin seinen Whisky aus dem Rucksack, und wir machen offiziell Feierabend.
Willard, Francis und Andrew Bwanali sind seine besten Bootsmänner. Sie kennen den See in- und auswendig, sie wissen, was sie tun, Andrew Bwanali tut gar nichts, Francis sitzt am Motor, und Willard schöpft mit einem Topf Wasser aus dem Heck. Das Boot liegt tief und kommt nur sehr langsam voran. So werden wir Stunden brauchen. Wir strecken uns zwischen den Kisten aus und versuchen zu schlafen, was nicht richtig klappen will. Dafür wird der Motor noch müder als zuvor und geht schließlich aus. Francis bekommt ihn wieder an, aber nur für kurze Zeit, dann erstirbt unsere Antriebskraft erneut und jetzt endgültig.
«Was ist mit dem Motor?», fragt Collin.
Ich weiß nicht, ob alle Afrikaner so sind, aber die Mitglieder des Volkes der Chewa, zu denen die meisten Mitarbeiter der Lodge gehören, holen für jede Antwort recht weit aus.
«This motor no good», sagt Francis. «Motor always make problem, jaaaaa. Last week, too much problem. Jaaaaa. We bring him to Cobue, to Jimmy, you know him, Collin, the son from Jonathan. He is married with Maria. He is very good, jaaaa, but Jimmy said, he need something for the motor, very little thing, Collin, they only have in Likoma. Jaaaaaa. Jimmy talk with his cousin, Freddie. So next day Jimmy and Freddie and the motor go to Likoma. Yesterday come back. But motor no finish problem. Too hot. We must go very slow and now we no go.»
«That means the motor is not working?»
«Motor no working, jaaaaaaaa.»
Dieses Jaaaaa verwirrt mich immer wieder, weil es so deutsch klingt. Sie haben es von den Buren, und es hat sich im südlichen Afrika durchgesetzt. Sie lieben es, Jaaaaa zu sagen, sie atmen mit dem Jaaaaa aus und ziehen das Jaaaaa so lang, wie der Atem es trägt. Ein Jaaaaa tief aus dem Bauch, ein Jaaaaaa für den Himmel. In Indien würde man sagen, das ist ein Mantra, ein magisches Wort, das in null Komma nix den Gemütszustand übernimmt. Jaaaaa ist beruhigend, mehr noch, Jaaaaaaa schenkt Frieden, es ist die positive Antwort auf alle Negativitäten des Lebens. Wir nennen so etwas Fatalismus. «Jaaaaaaaa …»
Die Flotte der Lodge besteht aus drei Motorbooten, dieses ist das größte, und es hat auch einen Mast, also wo ist das Problem? Francis hisst das Segel, Willard schöpft Wasser, und Andrew Bwanali tut weiterhin gar nichts. Vielleicht weil Andrew Bwanali schlauer als die anderen ist. Andrew Bwanali weiß: Ein Segel braucht Wind, und derzeit regt sich nur ein Lüftchen, und selbst dieses Lüftchen erklärt sich bald solidarisch mit dem Motor, auch dem himmlischen Kind geht komplett die Puste aus, und jetzt ist wirklich Feierabend. Um von Cobue zur Lodge zu kommen, muss man zunächst durch eine Bucht, deren Landzunge weit in den See hinausragt. Die Landzunge haben wir vor geraumer Zeit passiert. Inzwischen hat sich das Ufer wieder in die nächste Bucht zurückgezogen, der Busch ist zu einem dunklen Schatten in der Nacht geworden, und wir sind zwar immer noch nicht wirklich weit draußen, dreihundert Meter vielleicht oder vierhundert, aber für mich sieht es so aus, als wären es mehr. Und ich beginne mich langsam zu fragen, ob Lisa jemals ihren Spiegel bekommen wird. Gott hat den Stecker rausgezogen.
Was wäre, wenn die Windstille ins Gegenteil umschlagen würde, was häufig am Malawisee geschieht? Für einen Sturm ist das Boot zu schwer beladen, zumal ohne Motor. Was wäre, wenn wir dann kentern? Ich kann zwar schwimmen, aber in fünf Meter hohen Wellen habe ich es noch nie probiert. Was wäre, wenn ich trotzdem das Ufer erreiche? Was ist in dem Schilf? Die Familie der kleinen Krokodile?
Die Stunde für Andrew Bwanali ist gekommen. Er ist der kräftigste Mann an Bord. Während Francis das Segel einholt, rudert er uns mit langen, ruhigen Schlägen zur Küste. Jetzt weiß ich, warum er bisher keinen Finger rührte. Er hat seine Kräfte gespart. Um mit einem so kleinen Ruder ein so schweres Boot zu bewegen, braucht es einen starken Mann. Francis steht inzwischen am Bug und rudert auch, und Willard arbeitet im Heck weiter als fleischgewordene Wasserpumpe. Es dauert eine Weile, aber irgendwann schält sich aus der dunklen Silhouette der Küste dichtes Schilf heraus. Das Boot teilt es und schafft einen Kanal, der sich hinter ihm sofort wieder schließt, wenig später setzt es auf Grund, und wir krempeln die Hosenbeine hoch.
African Travelling, die letzte Etappe. Andrew Bwanali
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