African Queen
in die Hütte schaffen, hört man nicht.
Die Kunst, sich auf engem Raum nicht im Weg zu stehen, im Weg zu liegen, im Weg zu denken, ist leicht zu erlernen, wenn eines klar ist: Jeder hat seine Seite, und jeder macht sein Ding. Der Rest ist höfliches Benehmen. Und ein nettes Gesicht oder zumindest eines, vor dem man sich selbst nicht erschreckt, wenn man es zufällig mal in dem roten, runden, mit Glasperlen verzierten Spiegel aus der Volksrepublik China erblickt. Und noch ein Tipp: Sobald das Gleichgewicht des Schreckens, die Ausgewogenheit der Bedürfnisse und die Balance von Lust und Angst wiederhergestellt sind, empfiehlt sich die Cliffhanger-Position für die Nachtruhe. Jeder liegt an der Kante seiner Bettseite, mit dem Rücken zum anderen gewandt. Das ist kein körpersprachliches Zeichen für Entfremdung oder den Wunsch, sich zu trennen, sondern die natürliche Stellung von selbst in den Schlaf gleitenden, selbst träumenden Menschen. Bedenklich ist, wenn nur einer sich wegdreht und der andere schaut auf den Rücken des geliebten Menschen. Dann sollten die beiden mal miteinander reden. Und die Löffelchen-Position ist eine Chimäre. Nur wenige Paare schaffen es, so einzuschlafen, und von den wenigen hält keines das die ganze Nacht durch, nicht mal ’ne Stunde, nein, Löffelchen schlafen nur im Besteckkasten.
«Woran denkst du?», fragt Lisa.
«An nichts.»
«Aber ich denke an was …»
«An deinen Pass?»
«Ja.»
«Das solltest du auch.»
«So was darfst du nicht sagen. Bitte, sag so was nicht.»
«Warum nicht?»
«Weil es mir Angst macht.»
Lisa hat eine Dummheit begangen. Sie ist als Österreicherin zur Welt gekommen. Für Menschen, die so gerne reisen wie sie, hat sie einen sehr schlechten Pass. Sie brauchte ein Visum für Malawi, ich nicht. Für Mosambik brauchten wir beide eins, aber es ist ein bisschen merkwürdig. Wir dürfen damit drei Monate bleiben, müssen aber jeden Monat einmal ein- und ausreisen. Vielleicht gibt es dahinter eine Logik, vielleicht auch nicht, möglich ist, dass es eine afrikanische Logik ist, auf alle Fälle ist es entweder Quatsch oder Schikane. Fakt bleibt: Wir müssen einmal im Monat über die Grenze. Die nächste ist die nach Malawi. Nach Likoma Island und retour ist eigentlich kein Ding. Aber: Sie braucht ein Visum für Malawi. Und auf Likoma Island gibt es kein Visum für Lisa. Sie hätte sich nach unserer Landung in Lilongwe ein Doppel- oder Dreifachvisum geben lassen können, aber sie nahm nur eins für die einmalige Einreise, und das war die nächste Dummheit. Sie hörte auf Collin. Er schrieb ihr vor unserem Aufbruch nach Afrika, dass es auf Likoma Island Visa für sie gebe. Aber was weiß schon Collin. Er ist Brite. Er hat einen der besten Pässe der Welt und den besten für Ostafrika. Er geht in den ehemaligen englischen Kolonien ein und aus wie zu Haus. Also, Lisa müsste in die zweitausend Kilometer entfernte mosambikanische Hauptstadt Maputo, um sich dort bei der Botschaft von Malawi das Visum zu holen. Alternativ könnte sie auch kurz mal nach Südafrika ausfliegen oder über Land nach Simbabwe fahren, dort kriegt man Visa an der Grenze. Das eine ist teuer, das andere langwierig, deshalb hat Lisa auf Francis gehört, den Bootsmann.
Francis sagte, er sei auf Likoma aufgewachsen, jaaaa, und einer der Passbeamten sei sein Freund, jaaaaa. Er habe schon mit ihm gesprochen, und sein Freund habe «no problem» gesagt, jaaaaa, irgendwer auf der Insel habe einen Visumstempel, jaaaaa, aber die Sache koste über die normalen Gebühren hinaus noch mal dreißig Dollar extra. «Jaaaaa.»
Als Francis das nächste Mal nach Likoma Island fuhr, um neue Gäste abzuholen, nahm er Lisas Pass mit, und das war ihre größte Dummheit. Nicht, weil sie Francis traute. Und auch nicht, weil sie dessen Freund traute. Sie beging eine große Dummheit, weil sie ihren Pass aus der Hand gab. Der Reisepass ist auf Reisen wichtiger als Flugtickets und fast auch wichtiger als Geld. Ohne Pass bist du in Afrika am Arsch. Francis kam dann von Likoma Island mit einer schlechten und einer guten Nachricht zurück. Die schlechte: Der Typ, der da irgendwo auf der Insel aus was für Gründen auch immer einen Visumstempel besitzt, ist verreist. Jaaaaa. Die gute Nachricht: Sein Freund, der Passbeamte, hat einen Freund bei der Polizei von Mzuzu. Zu dem haben sie jetzt den Pass geschickt. Jaaaaa. Mzuzu liegt auf der anderen Seite des Malawisees, acht Stunden mit dem Schiff entfernt.
«Lisas Pass ist
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