African Queen
schwatze, gibt ihnen auch zu denken. «Wisst ihr, warum ich Afrika liebe? Wisst ihr, was wir in Europa von euch lernen können? Weg mit dem Kinderwagen! Weil eure Mütter ihre Kinder so lange auf dem Rücken tragen, haben Afrikaner kein Problem mit Nähe und überhaupt keine Berührungsängste.» Bei diesen Worten schmiege ich mich ein bisschen fester an ihre Arme, die geradezu an meinen Seiten kleben, und sofort gibt der Lächelnde ein bisschen mehr Platz, und nachdem er es dem Finsteren übersetzt hat, rückt der auch von mir ab, aber ich spüre den Widerstreit in ihnen. Bin ich schwul? Oder will ich sie verarschen? Wenn ich sie verarschen will, müssen sie aufpassen. Niemand ist frech ohne eine solide Grundlage dafür.
Und weiter geht’s mit der belanglosen Kommunikation: «Was willst du am Hafen?», fragt der Lächelnde. «Einen Polizeioffizier besuchen.» Sie zucken synchron zusammen. «Warum?», fragt der Lächelnde. «Business», antworte ich. Wieder lese ich in ihren Augen, was sie denken. Sie schauen zwar nicht permanent auf meine Hosentaschen, aber immer und immer wieder, die Ausbeulungen darin haben eine magische Wirkung auf sie. Und jetzt wissen sie, für wen das Geld ist. Er will einen Offizier bestechen. Sie würden es einem Polizisten wegnehmen. Brauchen sie einen Bullen als Feind? Eigentlich nicht. Zwei Jungs aus Mosambik würden auf dieser Insel nach einem Raubüberfall garantiert zum erlauchten Kreis der üblichen Verdächtigen gehören. Und von so einer Insel kommt man schlecht weg. Und was man so hört über die Sitten und Gebräuche in den Polizeistuben des schwarzen Kontinents, das macht die Entscheidung sicher auch nicht leicht, und noch mal, wie gut ist er mit dem Stock? Nein, es gibt vieles zu bedenken, und dabei vergeht nicht nur die Zeit, sondern auch der Spaziergang wie im Flug, und als die ersten Hütten und Höfe auftauchen, ist es für die beiden vorbei. Weil sie das sofort akzeptieren, entspannen auch sie sich endlich. Und ich werfe den Stock weg. Er war eh nur gegen die Hunde, sage ich.
Likoma Island ist an der schmalsten Stelle zwei Kilometer breit, die Länge bemisst acht Kilometer, und alles in allem hat man es mit neuntausend Menschen und zwölf Dörfern zu tun, das größte ist das, vor dessen Strand die «Ilala» anlegt. Es hat ein Postamt, drei Barbiere und eine Basargasse, die zum Wasser führt. An ihrem Ende ist das Einwanderungsbüro. Davor stehen Francis und sein Freund. Ich weiß sofort, dass er es ist, obwohl er keinen Anzug trägt. Die sorglose Aura des Beamten verrät ihn. Die Existenzangst ist zwar nicht die einzige Sorge, die uns bedrückt, aber fällt sie weg, hat man es immerhin mit einer Angst weniger zu tun. Er ist klein und gut genährt, nicht dick, nur übergewichtig, das heißt, er nimmt nur ein bisschen mehr zu sich, als sein Körper braucht. Er ist weder ein Schlemmer noch ein Frustesser, noch ein Asket, und all das macht ihn in Kombination mit seinem runden, freundlichen Gesicht zu einer sympathischen Erscheinung. Francis dagegen lächelt wie immer unergründlich.
«Jambo Mambo», sage ich.
«Good morning», sagt Francis’ Freund.
«Ach, Sie sprechen Englisch?»
«Natürlich.»
Ich schäme mich ein wenig. In Malawi ist Englisch die Amtssprache. Alle Staatsdiener sprechen sie. Sogar Francis, der auf Likoma aufwuchs, hat kein Problem mit ihr. Habe ich den Einwanderungsbeamten beleidigt, weil ich annahm, er könnte ungebildeter als der Bootsmann sein? Ich bin die Feinheiten orientalischer und asiatischer Gesichtwahrungswissenschaften gewohnt, in Afrika bin ich zum ersten Mal und lerne noch.
«Wie geht es Ihnen?», frage ich.
«Gut, danke. Und wie geht es Ihnen?»
Um ein Haar hätte ich noch nach dem Wohlbefinden seiner Familie gefragt, aber das wäre dann in der Tat überorientalisiert gewesen. «Mir geht es auch gut, danke», antworte ich. «Es ist ja ein schöner Tag auf einer schönen Insel. Aber es gibt ein Problem. Meine Freundin …»
«Der Pass ist kein Problem», unterbricht er mich.
«Wirklich nicht?»
«Glauben Sie mir, ich habe gerade mit meinem Freund in der Polizeistation von Mzuzu telefoniert. Und er hat mir gesagt, es gibt kein Problem. Die neuen Stempel sind zwar noch immer nicht eingetroffen, aber sie haben eine andere Möglichkeit. Er will den Pass Ihrer Freundin nach Lilongwe schicken.»
«Nein, bitte nicht!»
«Warum nicht? Sie geben den Pass einem Busfahrer mit. Der arbeitet öfter für sie. Und wenn er den Pass mit Visum
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