African Queen
wieder zurückgebracht hat, bekommt ihn der Kapitän der ‹Ilala›. Wirklich, kein Problem, in einer Woche ist der Pass hier.»
«Das ist zu spät!»
«Aber warum denn? Eine Woche hat nicht mehr als sieben Tage.»
Ich frage Francis’ Freund, ob ich ihn mal kurz unter vier Augen sprechen könne, und er sagt, na klar, und zeigt auf eine Bar. Sie ist nur ein paar Schritte entfernt. Mehr eine Bude als eine Bar und recht bunt bemalt. Wir gehen rein und sind allein. Ich mache Francis’ Freund mit den Details der Geschichte vertraut. Zeitdruck, Strafgebühren et cetera, und dann kommt die Litanei, das Mantra, die magischen Worte, die mir seit gestern im Kopf herumrollen, vor und zurück. «Send the passport back! Visa or not. Send the fucking passport back!» Er nickt, aber er meint es gut mit mir und erklärt mir noch einmal, wie toll die Lösung mit Lilongwe und dem Busfahrer ist, und damit das jetzt nicht ewig so weitergeht, formuliere ich mein Totschlagargument, aber anders als geplant, weil ich wirklich sichergehen will. Siebzig Dollar statt dreißig, wenn das Reisedokument morgen auf der «Ilala» ist. Und was macht er? Er steht sofort auf und sagt:
«Das ist zu viel.»
Ach du Schreck, was habe ich denn jetzt gemacht? Seinen Stolz beleidigt? Ihm unterstellt, dass er habgierig ist? Käuflich? Unverschämt? Ich kenne den verfickten Korruptionsknigge von Malawi nicht. Warum hilft er mir nicht?
«Sind fünfzig auch zu viel?», frage ich.
«Nein, fünfzig sind okay.»
Francis’ Freund setzt sich wieder und macht am Handy mit Mzuzu alles klar. Morgen früh ist der Pass da. Wir verabschieden uns. Er geht, ich bleibe mit meinen Fragen allein. Habe ich es geschafft? Weiß man nicht. Bin ich ein Idiot? Kann sein. Wird sich das jemals ändern? Nein. Die Bestätigung dieser pessimistischen Selbsteinschätzung folgt auf dem Fuß. Kaum ist der Beamte raus, kommen die beiden Jungs rein, mit denen ich spazieren gegangen bin. Sie sind überrascht, mich hier zu sehen. Auch ein wenig unsicher. «Jambo», sage ich, «wollt ihr was trinken? Ich gebe euch einen aus dafür, dass ihr mich nicht überfallen habt.» Die Art, wie sie jetzt lachen, baut mich wieder auf. Wenigstens bei den echten Gaunern finde ich immer den richtigen Ton.
Zurück am «Mango Beach», sehe ich Jane mit einem älteren Herrn vor einer Hütte im Sand sitzen. Sie reparieren ein Fenster. Und sie gehen sehr vertraut miteinander um. Wie schön, Lisa und ich sind also nicht das einzige Paar mit so einem Altersunterschied. Ich werde jedoch bald darüber informiert, dass er wirklich ihr Vater ist. Und wer ist hier der Chef? Er zeigt auf Jane. Wenigstens das ist wie bei uns. Apropos, es war Paranoia und keine emotionale Telepathie. Das weiß ich jetzt. Lisa hat mir vorhin eine SMS geschickt. Sie vermisst mich. Alle sind weg, auch Collin hat sich schon gestern irgendwohin verdrückt. Sie saß allein am Feuer, wie ich in der Bar. Die Nervosität am Abend war also völlig überflüssig. Auch der Alkohol, mit dem ich sie zu bekämpfen versuchte. Das ist eine gute Nachricht. Darauf trinke ich gleich mal einen. Oder zwei. Oder drei. Und die Italiener machen mit. Ich freunde mich fast mit ihnen an. Sie haben selbst gekocht und laden mich zu Pasta ein. Mamma mia, sie können kochen, sie können schnarchen.
Die Stunde der Wahrheit. Der nächste Morgen. Die «Ilala» tuckert ein. Eine Menge Leute warten am Strand auf sie. Boote flitzen hin und her. Viel Geschrei. Auch Francis ist da. Und sein Freund. Das Morgenlicht verströmt Zuversicht. Trotzdem werde ich noch mal ziemlich nervös. Der Beamte wird aktiv. Er steigt in eines der Boote und fährt zum Schiff. Ich rauche, ich gehe im Kreis. Irgendwas mache ich falsch in meinem Leben, dass ich hier nicht ruhig bleiben kann. Tief atmen nützt mir grad ’nen Scheiß. Es ist ja nicht nur der Pass. Es steht viel mehr auf dem Spiel. Zum Beispiel meine Existenz als Held. Nach drei Zigaretten kommt Francis’ Freund zurück. Noch bevor er aus dem Boot springt, hebt er den Daumen. Der Pass ist da.
Eine Stunde später sorge ich mich schon wieder um ihn und auch ein bisschen um mich. Wellen attackieren das Boot. Lisa würde in diesem Fall das Ave-Maria repetieren, ich bin indischer unterwegs. Om Ganeschaya Namaha, Om Ganeschaya Namaha, das Mantra gegen Angst aus dem Himalaya hilft tatsächlich. Im Grunde ist das untertrieben, denn es dreht meine Emotionen glatt um. Ich genieße plötzlich die Wut des Malawisees und schmiege mich
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