African Queen
mit dem Boot an die Wellen. Es ist wie Karussellfahren und Schunkeln zugleich. Om Ganeschaya Namaha, Om Ganeschaya Namaha. Den Pass trage ich unter dem Hemd an meiner Brust. Und darüber schützt ihn die schwarze Anzugjacke, für die ich mich entschieden hatte, um dem Einwanderungsbeamten zu imponieren.
Cobue. Ich bin wieder in Mosambik. Und heute will ich das letzte Stück zur Lodge nicht mit dem Boot machen. Mir reicht’s. Und es gibt einen Weg. «Afrikaner schaffen ihn in zwei Stunden», sagt Francis, «Muzungu in vier.» Muzungu heißt Weiße, aber was das Gehen betrifft, bin ich so schwarz wie Francis. Wenn nicht schwärzer. Der Pfad ist nicht sehr beschwerlich, es gibt kaum Steigungen, ich stürme durch den Busch. Sehr bald finde ich heraus, dass man schneller ist, wenn man vorausgeht. Keine Ahnung, warum. Also bleibe ich vorn. Francis sagt in mehr oder weniger regelmäßigen Intervallen «strong man», aber wenn man mich fragt, würde ich eher sagen «strong love, jaaaaaa».
Und noch etwas: Wie ich hörte, hat Collin einmal den Weg von Cobue bis zur Lodge in einer Stunde und fünfzig Minuten geschafft. Das ist der bisherige Muzungu-Rekord. Ich brauche zwei Stunden. Wegen der Zigarettenpause. Ohne sie hätte ich mit Collin gleichgezogen.
Ich treffe Lisa vor Collins Büro. Sie trägt keine Jeans, sondern ihr rotes Kleid mit dem dollen Dekolleté. Das ist für sie die Stunde der Wahrheit. Ist er es wert oder nicht? Ist er ein Prinz oder ein Penner? Hat er es geschafft, oder kommt er mit Ausreden? Ich gebe ihr den fucking Pass und sage: «Jetzt aber los.»
7. ANSEHEN, UMDREHEN, WEGGEHEN
C armen del Camara und ihr halbschwules Maskottchen Amori le Cane sind für jede Party ein Gewinn. Im Grunde sind sie für Partys geschaffen, Cocktailevents sind ihr natürliches Zuhause, mehr noch, ihre Bestimmung. Spätestens im Alter von sieben Jahren haben sie mit ihrer Ausbildung in Smalltalk begonnen, inzwischen sind sie in der Lage, jederzeit zu jedem Thema hinterfotzig, grenzphilosophisch und druckreif loszuplappern. Man weiß nie, woran man bei ihnen ist, ob sie einen sympathisch oder zum Kotzen finden, bleibt immer ungewiss. Ihre Arroganz hat aber nichts Beleidigendes, dafür ist sie zu selbstverständlich.
Carmen ist reich, Amori schön, was nicht heißen soll, dass die Frau hässlich wäre. Das heißt nur, dass Amori nicht reich ist. Und natürlich ist er jünger als sie. Das hat sich in ihren Kreisen durchgesetzt. Belgische Adlige, die Creme der Dekadenz, Salon-Großkatzen. Sie sind aus Recherchegründen bei uns. Sie wollen an der Küste von Mosambik selber eine Lodge aufmachen. Amori, der seinen Beruf mit Stylist angibt, denkt daran, den Sand einzufärben, damit der Strand ein bisschen schicker wirkt, und Carmen wird dafür sorgen, dass überall Aschenbecher stehen. Sie ist eine Kettenraucherin der alten Schule, bei Tisch raucht sie zwischen den Gängen, sie lässt auch gern die Zigarette weiterbrennen, während sie speist.
Drei Tage nach meiner Rückkehr nehmen sie uns nach Lichinga mit. Carmen hat einen fabelhaften Geländewagen, und Amori, der einen ähnlich schlimmen Rücken hat wie ich, leiht mir für die Fahrt seinen orthopädischen Hüftgürtel. Carmen fährt ziemlich schnell, und während wir durch den Busch brausen, unterhalten wir uns zunächst über den Einfluss des Haschisch auf die Kunst und dann darüber, wie man Afrika sinnvoll helfen kann. Amori ist der Meinung, das macht man am besten mit Mord und Totschlag, denn die Überbevölkerung sei das größte Problem des Kontinents. Der Bürgerkrieg in Ruanda zum Beispiel, bei dem eine Million Menschen massakriert worden sind, habe dem Land ein bisschen Luft verschafft. Waffenlieferungen seien hier als Hilfe zur Selbsthilfe zu verstehen. Ein anderes erfolgversprechendes Hilfsprogramm sei Zwangssterilisation. In Ruandas Nachbarstaat Uganda wäre sie das geeignete Mittel gegen die zu erwartende Bevölkerungsexplosion im Jahre 2020. Das ist Carmens Idee, und sie befremdet unsereins natürlich schon a bisserl, nicht nur, weil die belgische Adlige selber fünf Kinder hat (durch künstliche Befruchtung, also dem Gegenteil von Sterilisation), sondern auch, weil sie sich immer, wenn wir am Wegesrand Kinder sehen, aus dem Fenster hängt und die Kleinen fast frenetisch mit «Bom dia!» begrüßt. «Bom dia, bom dia!», schallt es dann begeistert zurück, und Carmen ist aus dem Häuschen vor Glück. «Das ist Afrika. Deshalb liebe ich es so.» Aber
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