African Queen
den Hügel, der sich hinter dem Strand erhebt, und auf einen Pfad. «Da musst du rauf, und wenn du oben bist, dort bei dem Haus, gehst du ein Stück nach rechts, und sobald du auf die Straße kommst, folgst du ihr nach links und bleibst auf ihr bis zum Hafen. Und nimm einen Stock mit.»
Malawi gehört zu den sichersten Ländern Afrikas, nur in Lilongwe, der Hauptstadt, gibt es No-go-Areas, der Rest ist so sorglos begehbar wie Disneyland. Die Leute sind zu lieb, zu freundlich und vielleicht auch zu unerfahren, um Böses zu tun, und innerhalb dieser Oase der Unaufdringlichkeit gilt Likoma Island noch mal als besonders friedlich. Die Bewohner, so sagt der «Lonely Planet» und jeder Reiseführer, den man liest, sind extrem freundlich und so gut wie nicht kriminell. Der Stock ist nicht zum Schutz vor bösen Menschen, sondern gegen böse Hunde. Und er ist nicht zum Schlagen da. Es reicht, ihn zu haben. Alle Hunde Afrikas respektieren ihn.
Dort, wo der Pfad beginnt, entsteht eine neue Hütte. Vor ihr liegen viele Stöcke, wahrscheinlich als Baumaterial. Ich nehme einen, der groß genug ist, um Eindruck zu schinden, und leicht genug, um mit ihm zu hantieren. Den Hügel hoch hilft er mir beim Klettern, den Hügel runter beim Balancieren. Ich gehe durch hüfthohes Gras, und überall sind Schlangen, und wenig später habe ich mich verirrt oder glaube, es getan zu haben, kurz, ich bin verwirrt. Da ist ein Weg, aber keine Straße, und ich meine, Jane hätte etwas von asphaltiert gesagt. Links nur Bäume und Sträucher und rechts eine große Wiese, auf der etwa fünfzig Meter entfernt zwei junge Männer stehen und interessiert zu mir rübersehen. Friedliches Malawi, Insel der Rechtschaffenheit, ich gehe direkt auf sie zu, um nach dem Weg zu fragen, und habe etwa fünfhundert Dollar in meiner Hosentasche.
Je näher ich komme, desto mehr sehen sie wie Leute aus, denen man (außer auf Likoma Island) besser nicht begegnen sollte, wenn sonst niemand in der Nähe ist. Beide so um die zwanzig, beide in Jeans, einer lächelt, einer nicht.
«Jambo», sage ich.
«Jambo Mambo», sagt der Lächelnde.
Jambo heißt «Hallo», Mambo «Morgen». Das ist Suaheli. Also Jambo Mambo, liebe Leute, wo geht es denn hier zum Hafen? Ach, da wollt ihr selber gerade hin. Welch ein Zufall. Ihr geht mit mir, wie schön. Sie nehmen mich in ihre Mitte, der Lächelnde rechts, der Finsterling links, und die Art, wie beide dabei auf meine ausgebeulten Hosentaschen starren, hätte mir überall (außer auf Likoma Island) zu denken gegeben. Der Lächelnde spricht Englisch. Er will wissen, woher ich komme. Ich sage es ihm. Und ihr? Ich frage das nur aus Höflichkeit, im Grunde weiß ich längst Bescheid. Auf der Insel geboren, aufgewachsen und zu friedvollen Männern gereift. «Wir kommen aus Mosambik», antwortet der Lächelnde. «Aus Maputo.»
Ach du Scheiße.
Von den zehn gefährlichsten Städten der Welt sind acht in Afrika, und von denen ist die Nummer eins Mogadischu, die Nummer zwei Lagos, und um den dritten Platz streiten sich Johannisburg und Nairobi, aber schon auf Platz vier kommt Maputo. Das heißt nicht, dass in Maputo jeder junge Mann ein Straßenräuber ist. Es heißt auch nicht, dass in Maputo jeder junge Mann, der kein Straßenräuber ist, in einer Situation wie dieser vielleicht doch schwach werden würde. Das heißt lediglich, dass man in Maputo nicht ohne triftigen Grund in einer Gegend spazieren gehen sollte, in der es, so weit das Auge reicht, niemanden sonst gibt als zwei Jungs wie diese.
Beide interessieren sich also für meine Hosentaschen, der Lächelnde betont unauffällig, der Finstere starrt direkt. Es ist nicht schwer, ihre Gedanken zu lesen, aber es ist schwer, dabei locker zu bleiben. Aus irgendeinem Grund aber fällt mir das zurzeit leicht. Ich kenne das. Ich verliere bei jedem Scheiß die Nerven, nur nicht, wenn es ernst wird. Dann übernimmt so eine Art Autopilot, der nur das Richtige tut, das einzig Richtige in dieser einzigartigen Situation. Who the fuck ist dieser Autopilot? Der liebe Gott? Mein Schutzengel? Die Erinnerung an meine vor-vor-vorletzte Reinkarnation als Samurai? Eigentlich ist es eine Frechheit, jetzt keine Angst zu haben, und genau das macht sie stutzig. Ist der Weiße blöd oder bewaffnet? Und wie gut ist er mit dem Stock?
Sie gehen nicht nur rechts und links von mir, sie gehen auf Tuchfühlung. Fast bin ich eingeklemmt. Irritation ist die beste Waffe. Es verwirrt sie, dass ich lache, und was ich so
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