African Queen
gemordet, damit sie nicht in den Propeller der Maschine fliegen. Der Schütze trägt die Krähe über das Rollfeld in Richtung Kochtopf davon.
Ein zweites Kleinflugzeug landet. Es bringt einen großen, fetten, rotgesichtigen, vollbärtigen Mann, der eine schwere, lange Eisenkiste zum Zoll trägt. «Ist da eine Feuerwaffe drin?», frage ich. – «Ja.» – «Großkaliber?» – «Ja.» – «Jagen Sie Löwen?» – «Ja.» Meine Freundin dreht sich angewidert weg. Lisa liebt Katzen. Und sie hat noch immer große Angst. Unser Pilot beruhigt sie: «Es wird nur am Anfang ein bisschen hoppeln, sobald wir auf achttausend Fuß sind, wird’s ruhiger.» Sie schweigt, aber ihr Gesichtsausdruck sagt etwa dies: «Was meint der mit ‹hoppeln›?»
Wir rollen über die Startbahn und heben ab, und plötzlich sind sie da, die Krähen. Sie kommen von hinten, um ihre toten Kumpel zu rächen. Aber sie schaffen es nicht bis zum Propeller. Wir hoppeln schneller als sie.
Die Gippsland GA-8 ist eine australische Maschine. Sie wurde entwickelt, um die Lücke zwischen der Cessna 206 und den Caravan-Modellen zu schließen. Weltweit fliegen 139 Exemplare davon. Sie hat Platz für den Piloten und sieben Passagiere. Höchstgeschwindigkeit: 340 km/h, Reichweite 1700 Kilometer. In der Flotte von «Nyassa Air Taxi», die fünf Maschinen umfasst, gilt sie als das beste Stück, und wenn das stimmt, möchte ich die anderen nicht ausprobieren. Sie bewegt sich wie ein Auto durch die Lüfte. Genauso langsam, nur ohne Bodenhaftung. Neben uns sind Seeadler und Wolken und über uns nur Gott.
Ist das Fliegen in kleinen Flugzeugen gefährlicher als in großen? Als Laie würde ich sagen, wenn ein Flieger zwei Propeller hat, kann einer mal ausfallen, und die Maschine fliegt trotzdem weiter. Diese hat nur einen Propeller, aber sie kann sicherlich auch segeln. «Ja», sagt der Pilot, «aber nur schlecht.» Dafür kann sie praktisch überall landen. Auf jeder asphaltierten Straße und auf jeder unasphaltierten. Auf Wiesen, auf Äckern und auf mit Macheten freigehackten Pisten im Busch. Die fliegt die Gippsland GA-8 an, wenn Großwildjäger ihre Passagiere sind. Löwenjäger, Leopardenjäger, Elefantenjäger. Sie zahlen dreißigtausend bis hundertzwanzigtausend Dollar für den Abschuss der Alphatiere, und der Pilot mag sie nicht sonderlich, aber er mag ihre Trinkgelder. Von mir, das weiß er, kann er nicht viel mehr erwarten als schöne Worte. Sein Name ist Ferenc. Er ist Wiener, und als er zwölf Jahre alt war, hat er «Top Gun» gesehen. Seitdem wollte er fliegen. Österreich ist ein komisches Land. Dort kann man mit siebzehn, also noch vor dem Führerschein, den Pilotenschein machen. Jetzt ist Ferenc fünfundzwanzig und fliegt die robuste Maschine australischer Produktion über Südostafrika. Mit den großen Piloten-Kopfhörern lauscht er nicht dem Funk, den Lotsen und dem Wetterbericht, sondern Queen und AC/DC. «Ganz allgemein passt Rock ’n’ Roll besser als Reggae, Pop oder Jazz zu meinem Beruf», sagt Ferenc, «denn Rock ’n’ Roll macht Mut.» Rumms. Wir knallen fünf Meter nach rechts, als hätte uns eine riesige Faust an der linken Seite getroffen. «Das war nicht ich», sagt Ferenc, «das war das himmlische Kind.» Also der Wind. Es hört sich wie eine Entschuldigung an, aber Lisa beruhigt das nicht sonderlich. Sie hält sich allerdings ganz gut. Sie zittert nicht einmal, wahrscheinlich, weil sie glaubt, dass Zittern so eine Maschine zum Absturz bringt.
Inzwischen sind wir über dem Malawisee. Er glitzert so schön. «Schon mal Probleme gehabt?», frage ich. Ferenc grinst. «Soll ich die wirklich jetzt erzählen?» Lisa ist strikt dagegen, und der Pilot versichert ihr, dass es ohnehin für Probleme der falsche Monat ist. Die hat er nur während der Regenzeit, wenn sich die Gewitterwolken zu Gebirgen türmen und er um Blitze Slalom fliegen muss.
Der Traum vom Fliegen. Früher konnten ihn sich nur Vögel und Götter erfüllen. Später gesellten sich Berufspiloten und Millionäre dazu. Seit der Erfindung der Billigflieger aber ist der Traum des Ikarus zu einer Art Menschenrecht geworden. Schüler, Studenten, Praktikanten, Hartz-IV-Empfänger, fast alle waren schon mal über den Wolken, wo die Freiheit unendlich und die Beinfreiheit beschränkt ist. Ein paar hundert Passagiere sitzen auf engstem Platz und kriegen vom Fliegen eigentlich nichts mehr mit, außerdem sind die Toiletten ständig besetzt. Der Rausch, den Newton’schen Gesetzen zu
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