African Queen
sie weiß, dass jeder das Recht hat, wieder in sein Leben zu springen. Es braucht auch nicht lange, und sie hat sich wieder abgeregt.
«Wann fliegst du?»
«So schnell wie möglich.»
«Und wann kommst du zurück?»
«So schnell wie möglich.»
Es ist Abend geworden. Wir sitzen bei Don Brioni, trinken Rotwein und hören die Grillen. Und wir wissen beide, dass Lisa recht hat. Von Burkina Faso ist es näher nach Europa als nach Malawi oder Mosambik. Viel näher. Außerdem wissen wir beide, dass ich seit dem ersten Tag in Afrika zurückwill. Und beide haben wir Angst davor, dass ich in Westafrika eine Entscheidung treffe, die nicht mehr rückgängig zu machen ist, weil sie dazu führt, dass auch Lisa eine Entscheidung trifft, die uns weiter auseinanderbringt. Und beide haben wir neben der Angst auch Lust darauf, es mal auszuprobieren. Das ist der Stand der Dinge in puncto Irrungen und Wirrungen der Liebe.
Die Logistik für meine neue Reisetätigkeit ist wesentlich komplizierter. Ich brauche ein Visum für Burkina Faso, aber das Land unterhält keine Botschaft in Malawi. Die nächste ist in Pretoria, Südafrika. Ich erfahre das am folgenden Tag. Und das ist ein Mittwoch. Wenn ich noch vor dem Wochenende das Visum haben will, muss ich spätestens am Donnerstag einen frühen Flieger nach Johannisburg bekommen. Dort kann ich mir ein Taxi nach Pretoria nehmen. Das sind sechzig Kilometer, und Botschaften schließen in der Regel gegen Mittag. Es wird knapp werden, aber es kann klappen. «Malawi Air» fliegt Donnerstagmorgen um sieben Uhr. Ich buche beim Frühstück. Lisa will dagegen schon heute los. Sie will als Erste gehen. Sie hat einen Standby-Flug gegen 17 Uhr mit «Nyassa Air» nach Likoma Island bekommen.
Jetzt haben wir einen Termin für die Trennung. Jetzt geht es los. Und natürlich bringe ich sie mit dem Taxi zum Flughafen. Als ich sie in den Arm nehmen will, fühlt sie sich wie ein Stück Holz an. «Ich kann deine Gefühle derzeit einfach nicht durchschauen», sagt sie. «Ich auch nicht», antworte ich, «aber geh mal davon aus, dass es Angst ist.» Daran ändert sich auch nichts, als wir auf der Terrasse des Flughafenrestaurants darauf warten, dass das «Nyassa Air Taxi» in die Gänge kommt, und als es so weit ist, wissen wir beide nicht, wie wir uns verabschieden sollen. Ansehen, umdrehen, weggehen. Nicht für immer, nur für kurze Zeit, aber nachdem wir wochenlang rund um die Uhr, tagein, tagaus, zusammen waren, fühlt sich jede Trennung, die länger als zwei Tage währt, nicht wirklich kurz an. In zwanzig Tagen sehen wir uns wieder. Hoffentlich. Ansehen, umdrehen, weggehen. Sie zu ihrem Flug nach Mosambik. Ich zum Taxi zurück nach Lilongwe. Ich habe Angst vor dieser Fahrt. Und Angst vor dem Hotel. Ich habe Angst vor unserem Zimmer, Angst vor Don Brioni, Angst vor der Nacht. Wie wird es sein? So süß wie Sehnsucht oder so bitter wie allein? Ich weiß es nicht, ich fühle es nicht, ich ahne nur, dass beides möglich ist. Man weiß nie mit absoluter Sicherheit, ob man sich jemals wiedersehen wird. Ansehen, umdrehen, weggehen, sie macht es zuerst, weil das ihr Part ist, und mein Part besteht darin, ihr auf dem Rollfeld hinterherzuschauen, und dann schaue ich noch mal der kleinen Maschine hinterher, in die sie eingestiegen ist. Sie verschwindet gerade in den Wolken mit einem Teil von mir. Ich dramatisiere nicht. Lisa fehlt mir wie ein Körperteil. Nachdem auch ich mich endlich umgedreht habe, bewege ich mich wie nach einer Operation.
Die Taxifahrt erlebe ich noch wie betäubt. Erst als ich unser Zimmer im «Kiboko Town Hotel» betrete, wache ich aus der Narkose auf. Es tut weh, das Bett zu sehen, das zwei Nächte unser gemeinsames gewesen ist. Es repräsentiert all die Betten der letzten siebenundsiebzig Nächte. Ich mache auf dem Absatz kehrt und eile zu dem Fake-Italiener. Jetzt brauche ich kein Bier, jetzt brauche ich keinen Wein, jetzt hilft nur Whisky, Whisky und noch ein Whisky.
Während ich ihn herunterschütte, kommen Bilder hoch. Erinnerungen an Istanbul, wo wir vor Afrika waren. Frisch verliebt und hormongeschüttelt. In der schönsten Stadt der Welt mit rosaroter Brille. Ein Overkill des Glücks. Wochenlang trieben wir uns dort in einem Viertel herum, in dem früher Griechen und Armenier lebten, und obwohl das schon einige Zeit zurückliegt, wirkten die Häuser, die Gassen, die Düfte und das Klima weiterhin griechisch mediterran. Gastronomie total. In jedem Haus war ein Restaurant oder ein
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