African Queen
Eine dicke Frau hat Nahrung in der Hütte, denn Speck kommt von Speck.
Eine dritte Erklärung für die Anziehungskraft der Übergrößen hörte ich neulich von Francis. Ich weiß nicht, ob er für alle Männer des Kontinents sprach oder nur für sich. «Afrikaner», sagte er, «lieben dicke Frauen, weil sie stärker sind als dünne, jaaaaaaa. Sie können mehr tragen, und sie sind auch besser mit der Hacke auf dem Feld. Dicke Frauen arbeiten besser, jaaaaaa.»
Hat Francis recht? Oder ist er ein Einzelfall? Oder stimmen alle drei Erklärungen für das afrikanische Schönheitsideal? Oder keine? Und ist das nicht auch ganz egal? Muss ich wirklich wissen, warum es so ist, wie es ist? Oder reicht es zu sagen, es ist zu eng, weil hier zu viele dicke Frauen sind? Auch zu viele Dünne und Mitteldicke. Und zu viele Männer. Es sind einfach viel zu viele Menschen auf der offenen Ladefläche des Lastwagens, und wir sitzen eingequetscht mittendrin. Niemand hat hier Berührungsängste. Und ich kann noch von Glück sagen. Mein Hintermann, der etwas erhöht auf einem leeren Kanister sitzt, hat nur ein Bein über meine Schulter gelegt, weil er einbeinig ist. Grob geschätzt dreißig bis vierzig Menschen (mit Gepäck), ein Dutzend Hühner, drei Stauden Zuckerrohr und fünfzig leere gelbe Wasserkanister sind auf dem Weg von Cobue nach Lichinga, und an den Ganzkörperkontakt mit Wildfremden gewöhne ich mich schnell. Ich stamme, wie alle hier, vom Affen ab. Wir kuscheln gerne. Körperwärme, Körperschutz. Es fühlt sich gut an, wenn die, an denen man klebt, gut drauf sind. Bioenergetisch ist zu sagen: Sie sind sehr gut drauf. Ich habe mit fünf Menschen a) direkten und b) stundenlangen Hautkontakt, und bei keinem spüre ich Unruhe, Ärger, Stress. Auch keine psychosomatischen Verspannungen und, daraus resultierend, unkontrollierte Zuckungen. Keine Abwehrstarre, keine geschlossenen Poren. Offene Grenzen, Bewegungen im Fluss, und irgendwie ist das wie ein Körper, und irgendwie ist das schön. Probleme macht nur die Sonne. Lisa hat ihren Strohhut, ich habe ein Tuch. Trotzdem fühlt sich mein Kopf wie ein Ei in der Pfanne an.
Ich habe es also geschafft. Ich habe sie aus dem Paradies herausgequatscht. Oder herausgesungen. Das Lied hat es gebracht, den Rest erledigte eine so einfache wie gemeine Strategie: Hütten verbrennen, Paläste versprechen. Ich habe kein Feuer gelegt, ich habe ihr nur den Job als Frontdoormanagerin einer Dschungellodge schlechtgemacht. Er sei unterbezahlt und ohne Aufstiegschancen und im Grunde nur was für Studenten, die im Urlaub ein bisschen Geld machen wollen, oder für Langzeitreisende, die sich zwischenfinanzieren müssen, oder im schlimmsten Fall was für Penner. Aber für dich, habe ich gesagt, ist das nichts. Für dich ist das Beste, was du bist. Und was ist Lisa? Welchen Beruf hat sie? Oder besser, welchen hatte sie? Was wollte sie für den Busch aufgeben? Ich sage es mal so: In meinem Ranking der Traumfrau-Berufe rangiert ihr gelernter ganz weit oben. Ganz weit unten (Negativranking) stehen Metzgerinnen, Fernsehmoderatorinnen, Diskuswerferinnen, Politikerinnen und Mannequins. Mein Positivranking (und nur die Top Ten) dagegen sieht folgendermaßen aus:
10. Anwältin
9. Krankenschwester
8. Allgemeinärztin
7. Zahnärztin
6. Pilotin
5. Kfz-Mechanikerin
4. Schuhverkäuferin
3. Paartherapeutin
2. Lektorin
1. Französischlehrerin
Lisa war Französischlehrerin, bevor sie in den Busch ging. Und jetzt ist sie auf dem Weg, es wieder zu werden. Wir müssen halt nur noch ein bisschen durch Afrika, zu den Palästen, die ich ihr versprach. Nicht die Paläste aus Marmor, Stein und Edelmetall, sondern die unserer Träume. Manchmal braucht man nur Namen über die Lippen perlen zu lassen, und schon hat man gewonnen. Sansibar, Serengeti, die Quellen des Nil, der alte Basar von Kairo, das in etwa sind die Stationen vor der Rückkehr in ihren Lehrberuf in Wien, und als Erstes sehen wir uns mal ein von Afrikakennern bestbeleumundetes Inselchen im Indischen Ozean an. Die Ilha de Moçambique ist unser Ziel, aber ob daraus heute noch was wird, vermag ich nicht zu sagen, denn unser Transportmittel ist nicht nur skandalös überladen, sondern auch technisch afrikanisiert. Ursprünglich hatte der Lastwagen mal, wie viele andere auch, vier Gänge, aber zwei davon scheinen nicht mehr zu funktionieren. Oder warum quält der Fahrer die Fuhre stur im dritten Gang bergan durch die Serpentinen? Der Motor hustet und rumpelt zum
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