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African Queen

African Queen

Titel: African Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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Armee zählte vierhundert Mann. Für die Krieger stellte er ein paar Regeln auf, die nicht nur für diese Region neu waren:
Wer ohne Blut an seinen Waffen vom Kampf zurückkommt, ist ein Feigling.
Feiglingen wird im Heimatkral und vor den Augen der anderen das Genick gebrochen.
Sandalen sind verboten. Barfuß macht euch härter.
Sex ist verboten. Tobt eure Geilheit beim Töten aus.
Akzeptiert die Befehlskette.
Reinstechen und rausziehen ist besser als wegwerfen.
    Bisher kämpften die Zulus mit einem Wurfspieß, von denen jeder Krieger drei trug, aber Shaka hasste es, eine Waffe wegzuschleudern. In der Schmiede eines Stammes, von dem es hieß, er benutze menschliches Körperfett für seine Arbeit, ließ er einen Stoßspeer mit kurzem Schaft und langer Klinge entwickeln. Er nannte ihn «Iklwa». Auf Zulu-Art ausgesprochen (chickwaa) hört sich dieser Name wie das Geräusch an, das die neue Waffe beim Reinstechen und Rausziehen macht. Darüber hinaus erfand Shaka den Stierkopf als Schlachtformation. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte es für die Stämme Südafrikas nur eine Art der Kriegführung gegeben. Massen stürmten aufeinander zu, und irgendwer blieb übrig. Shakas Stierkopf-Innovation sah so aus: Die besten Krieger bildeten die Stirn, zwei andere Gruppen formierten sich zu Hörnern, der Rest rückte jeweils nach. Sobald sich die Hörner durch die feindlichen Reihen gestoßen hatten, griffen sie von hinten an.
    Als Erstes knöpfte sich Shaka sechzig der schwächeren Stämme vor, und allen sechzig machte er, nachdem er sie besiegt hatte, dasselbe Angebot: sterben, und zwar alle, das ganze Dorf, der ganze Clan, der ganze Stamm, oder Zulu werden und seiner Armee beitreten. So wuchs der Stierkopf nach jeder Schlacht, und als er groß genug war, rammte Shaka ihn in die Heere der großen Stämme Südafrikas und machte ihnen ebenjenes Angebot, das er auch den kleinen gemacht hatte: assimilieren oder vernichten. Ergebnis: Auf dem Höhepunkt seiner Macht herrschte Shaka über zweihundertfünfzigtausend Menschen und ein Reich, das sich über halb Südostafrika erstreckte. Außerdem hatte er eintausendfünfhundert Frauen, aber geliebt hat er nur seine Mutter. Als sie starb, ließ Shaka sein Volk drei Monate lang hungern und siebentausend seiner Untertanen hinrichten. Shaka selbst starb durch die Hand eines Halbbruders, der ihn von hinten erstach.
    Shaka Zulu hat alles in allem eine Million Menschen auf dem Gewissen, trotzdem gilt er in Südafrika noch heute als Nationalheld. Jeden September feiern die Zulus den König-Shaka-Tag. «Und nun frage ich mich», sagt der britische Dentist, «ob das alles nicht passiert wäre, wenn der Vater Shaka geliebt und ihm einen anständigen Namen gegeben hätte. Was meinen Sie?»
    Ich weiß nicht, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn mein Vater mich Mistkäfer genannt hätte. Oder Kakerlake. Oder Kanalratte. Guten Tag, mein Name ist Timmerberg, Kanalratte Timmerberg, was kann ich für Sie tun? Keine Ahnung, wie so ein Leben aussieht. Und ich weiß auch nicht, was aus Shaka geworden wäre, wenn sein Vater ihn nicht Käfer, sondern Löwe genannt hätte. Oder Elefant, Nashorn, Stier. Und wenn er darüber hinaus seinen Sohn gestreichelt und auf seinen Schoß gesetzt hätte, statt ihn zu verleugnen, ja, vielleicht wären dann nicht eine Million Menschen abgeschlachtet worden. Und vielleicht doch. Man weiß es nicht. Man weiß nur, dass dieser Pettingunfall Folgen hatte.

    Später sitze ich mutterseelenallein am Feuer. Oder an dem, was vom großen Feuer des Abends noch übrig geblieben ist. Der Himmel hat sich unbemerkt bedeckt, weder Mond noch Sterne erleuchten den Strand. Wenn ich den Blick von den Flammen abwende und mich umschaue, ist da nur die Dunkelheit. Und: die Geräusche. Die Wellen des Sees und die Stimmen des Waldes. Ich erschrecke ein wenig, denn mir fällt wieder ein, wo ich bin. Das hinter mir nennt man Busch, und im Busch jagen wilde Tiere. Nicht hier, ich weiß, aber es gibt nicht nur Pettingunfälle, es gibt auch Jagdunfälle. Hin und wieder verirrt sich ein hungriges Alphatier mal an den Strand einer Lodge, außerdem: Was macht das Krokodil eigentlich gerade? Das sind so die Dinge, die mir plötzlich in den Sinn kommen, nachdem alle anderen Gäste, Mitarbeiter und auch Lisa mich allein zurückgelassen haben. Aber sobald ich in das Feuer sehe, beruhige ich mich wieder. Es ist, wie gesagt, ein kleines Feuer, mit Babyflämmchen, und ganz automatisch beginne ich damit, das verbliebene

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