African Queen
Wahrheit ein Märchen, und wer bis dahin nicht gestorben ist, wird davon, ich sagte es schon, profitieren. Bis dahin müssen wir alle durchhalten und uns immer wieder bewusstmachen, dass in Afrika der Gast kein König, sondern Entwicklungshelfer ist. Jedes Bier, das wir hier konsumieren, bringt Geld in den Fluss, von dem alle trinken. Bin ich ein Kommunist? Bin ich ein Christ? Bin ich ein neoliberaler Kapitalist? Wenn Sie mich fragen, ich glaube, ich habe einen leichten Sonnenstich zu beklagen. Glühende Hitze und grelles Licht lag auf den Wegen, die wir spazieren gingen, und ich bin deshalb froh, wieder in das phantastische Gästehaus des italienischen Architekten zurückzukehren.
Am Abend erfahren wir, dass auch noch andere hier Probleme haben, nicht so essenzielle wie Roma, aber immerhin hat man den Hausherrn verhaftet und ins Gefängnis der Insel gebracht. Wir hören es von zwei spanischen Touristinnen, die unsere Zimmernachbarn sind. Sie wissen nicht, warum sie Gabriele eingebuchtet haben. Wir können nur spekulieren und machen das auch, aber es kommt nichts dabei heraus. Er ist seit zehn Jahren hier, und er ist, wie er sagte, der einzige Weiße, der in Mosambik auch schon als Taxifahrer gearbeitet hat. Er hat eine Schönheit des Landes geheiratet, er hat drei Kinder mit ihr, er wohnt mit seiner Familie ein paar hundert Meter von hier in einem Haus, das er ebenfalls gekauft oder gemietet hat. Er ist ein schlanker, feingliedriger, gutaussehender Mann um die vierzig, er ist intelligent, geschäftstüchtig und unterhaltsam, und er ist nicht der einzige Italiener auf der Insel. Die Gästehäuser, Restaurants und Cafés, die man auf der Ilha de Moçambique empfehlen kann, sind mit einer Ausnahme alle in italienischer Hand. Mafia? Zufall? Egal. Wir müssen uns um Gabriele keine Sorgen machen. Er kennt sich aus. Und er ist nicht allein.
Der Dritte, der ein schwerwiegendes Problem zu haben scheint, gehört zum Personal der Moschee, die gegenüber von Gabrieles Gästehaus steht. Unglücklicherweise ist es der Muezzin. Der Abessinier Bilal al-Habaschi, ein freigelassener Sklave und enger Freund des Propheten Mohammed, rief mit ihm zum ersten Mal als Muezzin die Gläubigen zum Gebet, und er musste sich ziemlich anstrengen, denn um 600 nach Christi gab es keine Lautsprecher. Inzwischen gibt es die. Also warum schreit der Mann gegenüber so? Das ist die erste Frage. Die zweite: Warum ausgerechnet er? Muezzins sind keine Geistlichen. Sie entsprechen den Glöcknern im Christentum. Früher nahm man gern Blinde als Sänger, heute anscheinend jeden. Es gibt begnadete Stimmen unter ihnen, wahre Musiker für die Musik der Wahrheit «Allahu akbar» (Gott ist größer!), und es gibt Städte in der islamischen Welt, in der fast jede Moschee einen dieser tollen Sänger hat, und die geben dann unisono Konzerte, fünfmal am Tag. Ich habe den Ruf des Muezzins immer geliebt, nur nicht morgens um fünf. Doch man kann sich dran gewöhnen. Ich brauche in der Regel drei Tage, dann höre ich ihn nicht mehr, egal, wie nah ich an der Moschee wohne. Der Grund ist mir nicht ganz klar. Die Melodie ist zwar wahnsinnig schön, wird aber in der Regel mit seelischer Intensität in hohen Tonlagen vorgetragen. Trotzdem, nach drei Tagen schlafe ich durch. Vielleicht weil Allah höflich ist und Christen nicht belästigen will, vielleicht weil ich schwerhörig bin, vielleicht, vielleicht, vielleicht, ich habe keine Antwort darauf, und darüber hinaus ist es heute um fünf Uhr der erste Morgen in direkter Nachbarschaft zu einem Muezzin, deshalb höre ich ihm zu. Und frage mich, ob alle anderen Mitarbeiter des Gotteshauses keine Zunge mehr haben. Oder warum geben sie einem Mann, der so musikalisch wie ein Esel und so wütend wie ein Rohrspatz ist, das Mikrophon für den heiligen Gesang der Muslime? Er singt nicht einmal. Und es ist auch kein Sprechgesang, kein frommer Rap, es hat null Komma nix mit Gesang zu tun, was der Typ gegenüber da morgens macht. Er schimpft, er zetert, er keift, er ist stinksauer. Muss das hier so sein, weil er die Gläubigen der Ilha de Moçambique auf die sanfte Tour nicht aus den Betten kriegt? Ich mag das nicht glauben. Afrikaner stehen traditionell früh auf und sind traditionell sehr musikalisch. Ich glaube eher, der Muezzin-Schimpfer hat ein schweres Problem. Und wo ich gerade bei Problemen bin: Die Fledermaus hat auch eins.
Es sind drei Fledermaus-Wissenschaftler als Gäste im Haus von Gabriele. Ein Südafrikaner, ein
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