African Queen
versucht. So waren eigentlich alle meine Erfolge gestrickt. So bin ich gestrickt. Wenn ich angespielt werde, spiele ich mit. Und der Chefredakteur hatte all das in seiner Mail recht schön formuliert. Man könnte auch sagen, recht listig. «Ein Treffen mit Santana. Ein Treffen von Gitarre und Gitarre. Ein Treffen von einem freien Mann und einem freien Mann.»
Aber ich bin kein freier Mann mehr.
Soll ich Lisa, nur eine Woche nachdem ich sie aus der Lodge herausgelockt habe, schon wieder verlassen? Vier Tage, länger bräuchte ich nicht, und für mich ist das auch kein Ding, für mich ist das normal, aber wie normal ist das für sie? Und warum frage ich sie nicht, wie normal das für sie ist? Weil ich weiß, was sie antworten wird und wie sie antworten wird, aber nicht weiß, ob ich es durchstehen werde, das ganze Hin und Her, an dessen Ende sie zähneknirschend akzeptiert, dass ich meinen Weg gehen muss, und sie ihren Segen dazu gibt. Ich scheue den Konflikt, und diese Charakterschwäche, gepaart mit dem Respekt vor dem Reisestress, den dieser Ausflug bedeuten würde, lässt mich den Laptop zuklappen und das Thema zu den Akten legen. Morgen früh werde ich absagen.
In der Nacht schlafe ich selbstverständlich schlecht, weil ich nicht absagen will, aber als der Morgen graut, fühlt es sich noch schwieriger an, das Ruder herumzuwerfen, weil jedes Gespräch über eine plötzliche Änderung unserer gemeinsamen Reisepläne jetzt kein Gespräch mehr wäre, sondern eine Ansage – die Zeit drängt. Wenn die Redaktion nicht sofort meine Zusage bekommt, schafft sie es nicht mehr, mich rechtzeitig in Köln einfliegen zu lassen, falls das überhaupt zu schaffen ist. Also sage ich ab und frühstücke etwas bedrückt mit Lisa. Länger als geplant, denn der Taxifahrer, den wir gestern Abend gebucht haben, ist heute Morgen zu betrunken. Gabriele sucht nach einem nüchternen.
Die Fahrt nach Nampula dauert rund zwei Stunden und führt durch allerliebstes tropisches Grün, Felder, Wälder, Wiesen, alles wunderschön, die schmale Straße, die sanften Kurven, die kleinen Brücken, die Schatten, das Licht, und schön ist auch Lisa mit ihrer Sonnenbrille und den vom Fahrtwind flatternden Haaren. Alles wäre nur noch perfekt zu nennen, wenn mir nicht immer noch die Sache mit Santana zu schaffen machen würde, wie liegengelassener Müll.
An dem kleinen Flughafen von Nampula wird dieses Problem dann auch nicht kleiner, denn hier realisiere ich, dass alles möglich gewesen wäre und dass es selbst jetzt noch möglich ist. Denn wohin fliegen wir? Nach Daressalam. Richtig. Und was genau ist Daressalam? Die größte Stadt Tansanias? Falsch. Für einen, der so schnell wie möglich nach Köln will, ist Daressalam in erster Linie ein INTERNATIONALER FLUGHAFEN. Auf dem wir gegen Mittag landen werden! Ich könnte mit Sicherheit dort einen passenden Flieger nach Deutschland bekommen und morgen Vormittag Santana ein Lied vorspielen.
Für einen freien Mann wäre das kein Problem.
Eine bereits getroffene Entscheidung nicht als Entscheidung, sondern nur als eine Art Diskussionsvorschlag zu verstehen, birgt das Problem, dass man sich dann immer und immer und immer wieder entscheiden muss, und das kann eine durchaus hübsche Beschäftigungstherapie sein, wenn man sonst nichts zu tun hat. Aber es kann auch schwer auf die Nerven gehen, darum denke ich nicht einmal dran, Lisa zu sagen, hör mal, Baby, sobald wir in Daressalam gelandet sind, trennen sich unsere Wege für ein paar Tage, ich weiß, das kommt ein bisschen plötzlich, aber wer sagt denn, dass dieses bisschen Plötzlichkeit nicht das Gesetz des Lebens ist?
Der knapp zweistündige Flug folgt erst der Küste von Mosambik und dann der Küste von Tansania, in einer Höhe, aus der unberührte Palmenstrände nur noch im Bordmagazin sichtbar sind, und verläuft so weit auch ohne Zwischenfälle, erst in der Ankunftshalle des Internationalen Flughafens von Daressalam verpasse ich dann meine letzte Chance auf eine späte Musikerkarriere und steige in das Taxi ein. Wie immer in solchen Momenten erinnere ich mich an «Die sieben Samurai», das Meisterwerk des japanischen Meisterregisseurs Akira Kurosawa, das von John Sturges als Westernversion Szene für Szene nachgedreht wurde und bei ihm «Die glorreichen Sieben» hieß. Sieben professionelle Krieger befreien ein Dorf von dem Terror einer Räuberbande, und als die sieben oder nunmehr fünf – zwei fielen in dem Kampf – mit dem Job fertig sind und
Weitere Kostenlose Bücher