African Queen
weiterreiten wollen, bleibt einer bei den Bauern, weil er sich in eine der Dorfschönheiten verliebt hat. In der Westernversion der Geschichte wird die Rolle des jungen Samurai, der die Liebe dem Kampf vorzieht, von einem Deutschen gespielt. Darum sehe ich immer, wenn mir Ähnliches geschieht, das Gesicht des jungen Horst Buchholz vor mir, dem gerade Yul Brynner erklärt, dass er zwar keine Niete ist, aber auch kein Samurai.
Das Taxi ist kein reguläres, sondern gehört zu unserem Hotel, alles ist geregelt, alles ist im Fluss auf der bisher neuzeitlichsten Stadtautobahn, die ich in Afrika gesehen habe, und dann platzt ein Reifen, und wir stehen, weil es im Wagen zu heiß wird, etwa dreißig Minuten in der glühenden Sonne Ostafrikas und warten auf einen anderen Wagen unseres Hotels, denn sie haben in dem Taxi zwar einen Ersatzreifen, aber keinen Wagenheber, und vor mir ist eine dieser haushohen Werbetafeln, die an allen Stadtautobahnen der Welt aufgestellt sind. Auf der hier werden die Vorzüge von «Turkish Airlines» mit dem Bild einer Minarettskyline angepriesen. Sie fliegen zweimal täglich nach Istanbul von Daressalam. Es wäre also nicht nur möglich, sondern auch schön gewesen: eine Nacht in Istanbul, eine Nacht in nicht irgendeinem, sondern in meinem Lieblingshotel, dem «Grand Hotel de Londres», in dem schon Agatha Christie und Hemingway abgestiegen sind, und am nächsten Tag wäre ich entspannt zu Santana geflogen und hätte den Ball ins Tor geschossen. Oder auch nicht. Aber ich hätte es versucht, ich hätte meinen Job gemacht, und mehr kann man nicht. Und wenn man mich jetzt fragen würde, was mir in dieser halben Stunde vor der haushohen Werbung für «Turkish Airlines» am Rande der Stadtautobahn von Daressalam und von der Sonne gebraten durch den Kopf geht, müsste ich gestehen: Es ist immer und immer wieder derselbe Satz.
«Eine Chance nicht wahrzunehmen bedeutet, mit dem Schicksal nicht zu kooperieren.»
So weit die schlechten Nachrichten. Die guten haben mit dem zu tun, was im Folgenden geschieht. Der Ersatzwagen kommt, wir erreichen das Hotel, wir hören im Foyer, dass sie keinen Alkohol haben und es an einem Sonntag in der islamisch dominierten Stadt ganz allgemein schwierig ist, Alkohol zu finden, wir finden aber mit Hilfe eines Taxifahrers trotzdem eine offene Bar, in der uns ein Gast mit blutig geschlagenen Lippen entgegenkommt und die Barfrauen hinter Gittern arbeiten müssen, damit niemand sie belästigt oder Flaschen klaut, und als wir dann endlich in unserem Zimmer sind, dessen Balkon wir nicht betreten dürfen, weil er baufällig ist, und Bier trinken und ich zunächst den Blick aus dem sechsten Stock auf die Dächer von Daressalam genieße und dann den Blick auf das Bett, auf dem Lisa inzwischen nur noch mit einer Jeans und einem roten BH bekleidet liegt, erst da bereue ich meine Entscheidung nicht mehr. Scheiß doch auf Santana. Jeder hat seine eigene Braut, und jeder singt seine eigenen Lieder.
16. NOLLYWOOD INN
D ie große Trostmaschine Afrikas hat ihren Sitz nicht im Vatikan oder in Mekka, ihre Träume werden in Nigeria produziert. Darum heißt sie Nollywood. Zweitausend Filme pro Jahr, durchschnittliches Budget fünfzehntausend Dollar, maximale Drehzeit zwei Wochen, aber es geht auch in einer. Kein Kino, nur DVD. Und keine Hütten, nur Paläste. Wenn Hütten vorkommen, sind es historische Filme. Das moderne Afrika sieht in Nollywood etwa so aus: vier Freunde, vier Frauen. Die Berufe der Männer sind: Anwalt, Arzt, Tanzschulen-Inhaber und Musiker. Alle, außer dem Musiker, tragen auch in ihrer Freizeit teure schwarze Anzüge und weiße Hemden aus erstklassigem Material. Alle, außer dem Musiker, fahren nagelneue Limousinen der oberen Mittelklasse oder gleich Jaguar. Alle, außer dem Musiker, wohnen in Villen. Der Musiker ist also der Underdog der Gruppe, aber auch er lebt nicht in der Mülltonne, sondern in einer hübschen kleinen Wohnung, er geht zudem nicht barfuß und in Lumpen, sondern fährt einen gepflegten VW Käfer und trägt hochwertige Kleidung, sie ist bei ihm halt nur bunt. Und alle, aber jetzt wirklich alle, also auch der Musiker und die Frauen, trinken, sobald es Abend geworden ist, edle Rotweine und hin und wieder Champagner. Es wird in diesem Film nicht ein Bier konsumiert und nicht ein armer Afrikaner gezeigt, nicht mal als Statist. Darum gibt es fast keine Straßenszenen, und wenn doch, konzentriert sich die Kamera auf die Limousinen der vier Freunde oder auf
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