African Queen
aus meinem Bauch:
«Mein Ozean ist mein Schreibtisch. Ich will nach Haus!»
Lisa versteht das sofort, nicht nur inhaltlich, sie versteht auch die Energie dahinter, die Haltung, die kompromisslose Erkenntnis. Sie fühlt den Seelenstahl. Und rennt erst mal dagegen an. Aber, auch das ist neu, ich ziehe den Streit der Lüge vor. Ich gebe nicht um des lieben Friedens willen nach, denn so lieb ist dieser Friede nicht, das weiß ich. Und Lisa weiß das natürlich auch. Ich kämpfe ja nicht gegen sie, ich kämpfe nur für mich. Und ziehe Grenzen. Und auch wenn sie das zunächst auf die Palme bringt, sie kommt wieder runter. Denn sie hat, wie wir alle, viele Identitäten, und die «Reisende» ist nur eine davon und nicht einmal die zentrale. Letztendlich ist auch Lisa eine Frau, die es liebt, wenn ein Mann weiß, was er will. Und schon beim Abendessen hat sie wieder eine Idee. Vielleicht sei ich gar nicht reisemüde, vielleicht leide ich nur unter temporärem Heimweh. In diesem Fall schlage sie Lushoto in den Usambara-Bergen vor. Da sehe es nicht nur wie in Deutschland aus, da wäre es auch so kühl wie zu Haus. Außerdem achtet sie nun sehr darauf, dass ich nicht wieder die falsche Pizza esse. Vermutet sie, dass ich nur deshalb so stark geworden bin? Und hat sie recht? Das wäre ein interessanter Aspekt, wenn das Fleisch in meinem Bauch den Spieß umgedreht hätte.
18. HEIMATURLAUB
W irklich gefährlich in Afrika im Allgemeinen und in Tansania im Besonderen sind nicht die zahllosen scharfen Zähne, die wild, also unkontrolliert nach allem schnappen, was langsamer ist als sie, auch nicht das Gift so unsympathischer Tiere wie Schlangen, Skorpione und Spinnen. Und die Gefahr, die von den Giftpfeilen irgendwelcher Restpygmäen und vereinsamter Buschmänner für Leib und Leben droht, wird ebenfalls maßlos überschätzt. Dasselbe gilt für die Belästigung durch Kindersoldaten, jugendliche Soldaten, erwachsene Soldaten, Söldner, Milizen, Straßenräuber, Polizisten und andere bewaffnete Kriminelle sowie für die Abgründe der hiesigen Gesetzgebung. Auch wenn auf Homosexualität in Tansania vierzehn Jahre Zwangsarbeit stehen, ist Schwulsein in diesem Land noch immer nicht das Riskanteste. Krankheiten? Jede Menge und die ganze Palette, schwarze Beulen, gelbes Fieber, blutrote Augen, aufgepumpte Lymphdrüsen, Pest, Cholera, Pocken, Aids, allein an der Malaria sterben in Tansania jährlich sechzigtausend Menschen, Kinder zumeist, aber all diese Dämonen des schwarzen Kontinents und eigentlich auch alle anderen, die ich aufzuzählen vergessen habe, sind Papiertiger für den Reisenden, denn wirklich gefährlich ist nur der Straßenverkehr.
Die größte Bestie ist der Busfahrer.
Sein Job ist es, schneller zu sein als die Konkurrenz. Der Schnellste macht die besten Geschäfte, der Langsamste geht in die Insolvenz, das Mittelfeld darbt dahin. Ein permanentes Wettrennen mit Turbo-Effekten, denn es gibt praktisch auf jeder Tour einen Passagier, der es besonders eilig hat und für ein seiner Eile angemessenes Vollgas ein angemessenes Trinkgeld bezahlt, und über diese niederen, weil rein materiellen Beweggründe hinaus erfüllen den afrikanischen Busfahrer auch noch a) der Geschwindigkeits- und b) der Machtrausch. Dschungelgesetze, Evolutionsjuristerei, das größere Fahrzeug hat alle Rechte, und Busfahrer haben in der Regel das größte und damit auch den Größten, und je kleiner der in Wirklichkeit ist, desto mehr geben sie Gas. Radfahrer und Fußgänger sind nicht ihre natürlichen Feinde, alle Pkws, Lkws, Kleinbusse und genauso großen Busse vor ihnen allerdings hassen sie, und alle, die ihnen beim Überholen entgegenkommen, sind ihre Gegner. Dem afrikanischen Busfahrer gehören beide Fahrbahnen, da gibt es keine Diskussion, das wird jedes Mal von Mann zu Mann klargemacht, zwei Schrotthaufen rasen aufeinander zu, und wem zuerst die Nerven durchgehen, der hat verloren, und wenn dabei am Wegesrand Hunde, Katzen, Schafe, Ziegen oder Kühe platt gefahren werden, nennen sie das noch nicht mal Kollateralschaden. Tierisches Leben interessiert sie nicht mehr als eine Bananenschale, menschliches nicht mehr als tierisches, und das Leben ihrer Passagiere ist ihnen ohnehin scheißegal.
Ich will nicht übertreiben, aber es wird mir gerade schwergemacht, es nicht zu tun, denn es sind nicht nur die Verhältnisse auf den Landstraßen Tansanias, die verblüffen, darüber hinaus steht auch noch eine Wahl ins Haus, die wichtigste, das Parlament
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