African Queen
entspannen. «Hört mal, Leute, ich habe auch meine Probleme. Es stimmt einfach nicht, dass eine jüngere Frau auch den Mann jünger macht. Das Gegenteil ist der Fall. Seitdem ich mit Lisa zusammen bin, fühle ich mich zum ersten Mal in meinem Leben alt. Oder anders, zum ersten Mal in meinem Leben akzeptiere ich mein Alter nicht mehr. Zum ersten Mal in meinem Leben will ich jünger sein, als ich bin, aber jeder Blick in den Spiegel bringt mich in die Wirklichkeit zurück, und wenn kein Spiegel in der Nähe ist, reicht ein Blick auf meine Hände. Ergebnis: Ich habe Angst, ständig Angst, sie bricht nicht oft aus, aber sie lauert in mir, wie ein bissiges Haustier. Angst vor jedem Jüngeren, der am Strand seinen Waschbrettbauch in die Sonne hält, Angst vor der Impotenz, die kommen wird, Angst vor der Sugar-Daddy-Existenz. Und wenn ihr das beneiden und verachten wollt, bitte schön, ich beneide euch auch, aber ich verachte euch nicht. Denn ihr macht es richtig, und ich mache es falsch. Und noch etwas: Ich tue Dinge, die ich eigentlich nicht mehr tun will, und ich gehe Wege, die ich eigentlich nicht mehr gehen will, und das wird, auf Dauer gesehen, noch größere Probleme mit sich bringen als Verlustängste und diese Eifersucht mit den Rattenzähnen. Ja, ihr habt recht, ich bin zu alt für sie. Aber wisst ihr, wo die Liebe hinfällt, da macht sie sich breit, und das ist mein Problem, nicht eures. Darum kümmert euch um euren Scheiß, okay?»
Manchmal schnappt die Falle zu, und man weiß nicht, warum, man hat keinen blassen Schimmer, was man falsch gemacht hat, außer in sie reingetappt zu sein. Und manchmal geht die Falle auf, und man weiß wieder nicht, warum, weshalb, wieso. Vielleicht stimmt es ja, dass Gottes Wege unergründlich sind, aber dann stimmt auch dasselbe für die Wege des Teufels. Vielleicht ist es auch der Spirit von Niedersachsen oder der Geist eines alten Freundes, denn wir wohnen in dem Privathaus von Klaus und schlafen in seinem Bett. Ich weiß nicht, wer es ist, der mir in meinem Traum hilft, ich kann sein Gesicht nicht richtig sehen, es ist zu verschwommen. Er hat einen Speer in der Hand, dessen Spitze auf mich zeigt, und der Verschwommene sagt, «jetzt drehen wir den einfach mal um». Und so machen wir’s, und als ich wieder aufwache, weiß ich noch immer nicht, wer mir geholfen hat, aber ich weiß sofort, dass es geklappt hat. Ich fühle es, wie ich meinen Atem fühle und meinen Durst auf Kaffee, und je älter der Morgen wird, desto sicherer werde ich, dass es ein alchemistischer Traum gewesen ist, ein Traum, der wirklich was bewirkt. Der Spieß hat sich umgedreht. Ab sofort bin ich nicht mehr zu alt für sie. Ab sofort ist Lisa zu jung für mich. Das verändert alles, und auch sie merkt das sofort.
Die private Terrasse von Klaus ist vierzehn Meter lang und fünf Meter breit, das heißt, man hat Platz zu zweit. Rechts und links wiegen sich Königspalmen im Wind, vorn ist die türkisblaue Unendlichkeit. Die sechs tragenden Säulen, die von der niedrigen Mauer zum Dach hochgehen, vermitteln die Illusion, im klassischen Griechenland zu sein oder zumindest im alten Rom. Eine ähnliche Terrasse habe ich vor Jahren in einem Film über das Leben Alexanders des Großen gesehen. Es gibt ein Terrassenbett mit Moskitonetz für die heißen Nächte, weil hier fast immer ein kühlendes Meereslüftchen weht, einen großen, schönen Holztisch, ein Kanapee und zwei Ruhesessel. Ich sitze, Lisa liegt. Sie träumt ein bisschen vom unendlichen Afrika. Es gibt noch so viel, was sie sehen möchte, die Masai Mara in Kenia, die Gorillas von Ruanda und Uganda, Namibias Wüsten, Äthiopiens Kirchen, den Kongo-River, die Tuaregs in Niger, das Okavangodelta in Botswana, und noch gestern hätte ich dazu zwar nicht «ja», aber «ja ja» gesagt oder «warum nicht» oder «schauen wir mal». Und vielleicht hätte ich auch über die Chance gesprochen, die darin für mich liegt. Möglicherweise steckt mich ihr «African Fever» doch noch mal an. Abenteuer reloaded. Ziemlich sicher hätte ich das gestern noch gesagt, denn ich habe all die Monate so gesprochen, wenn Lisa von den unendlichen Möglichkeiten an der Seite eines Reiseschriftstellers zu träumen begann, obwohl ich des Reisens müde bin und vom glatten Gegenteil träume. Aber heute, und nach diesem Traum, finde ich andere Worte. «Finden» ist eigentlich falsch in diesem Zusammenhang, denn ich suche nicht nach ihnen, sie brechen einfach aus mir heraus und kommen tief
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