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African Queen

African Queen

Titel: African Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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betrifft mehr meine Spekulationen über Reinkarnationen. Also über die individuellen Wege meiner Seele. In der Serengeti dagegen entfalten sich die Erinnerungen des Kollektivs. Sie ist unser aller Wiege.
    Und jetzt noch mal ohne Scheiß: Die Reise durch Afrika hat nicht immer Spaß gemacht. Denn was auf Reisen wirklich Spaß macht, ist das Ankommen, das Ziel, das Happy End der Expedition, und ich bin nie angekommen, ich habe sogar vergessen, dass es ums Ankommen geht, um den Moment, in dem alles stimmt und der Bauch sagt, dass sich der Aufwand gelohnt hat. Gibt es nicht, habe ich gedacht. Nicht für mich. Nicht in Afrika. Mein Ding ist Lisa, meine African Queen. Ihretwegen bin ich hier. Hin und wieder, ich weiß, dankte ich ihr für dies und das an Reiseeindrücken, aber ohne die in Afrika verliebte Französischlehrerin hätte ich nicht bis zur Serengeti durchgehalten. Sie hat mich hergebracht. Eva führte Adam zurück ins Paradies. Schöne Geschichte und genau der richtige Zeitpunkt, um ihr endlich dafür auch auf Knien zu danken. Leider komme ich nicht dazu, weil genau jetzt das Fieber beginnt.

20. VERTREIBUNG AUS EDEN
    D ann sehe ich alt aus. Mindestens zehn Jahre drauf. Und so fühle ich mich auch. Eine Zeitlang sitze ich noch neben Freddy auf dem Beifahrersitz, aber das gebe ich bald auf. Mein Platz wird die Rückbank. Ich liege auf ihr wie auf einer Couch bei leichtem Erdbeben. Das Fenster wird zum Fernseher. Ein Tierfilm läuft. Ich friere, ich schwitze, ich stöhne ein bisschen. Das Stöhnen tut gut. Die Außenwelt verschwindet, der Fokus richtet sich nach innen. Die Kraft schwindet. Ich verliere den emotionalen Bezug zum real existierenden Garten Eden, das Paradies der Tiere interessiert mich nicht mehr, es verlangt mich eher nach Menschenwerk, wie zum Beispiel ein kräftiges Antibiotikum, aber in erster Linie sehne ich mich nach einem Bett.
    Wir erreichen es nach etwa drei Stunden und pünktlich zum Sonnenuntergang. Der Bungalow hat ein großzügiges Fenster, eine Schirmakazie ist in der Nähe. Ich bin zu schwach, um zu lachen, aber ich schaffe es irgendwie. Ich hatte mir für die Serengeti eine essenzielle Erfahrung gewünscht und dabei an Löwengebrüll in der Nacht gedacht, aber das hier ist noch mehr auf den Punkt. Das ist so perfekt wie verliebt in Venedig, tanzen in Havanna und spielen in Las Vegas. Fettes Fieber unter der Schirmakazie, und der Himmel wird rot. Ein schöner Abend, um zu sterben, an einem idealen Ort. Unendliche Möglichkeiten für die Seele davonzufliegen. Körperlos durch die Savanne, direkt ins Paradies. Was Hemingway wohl dazu sagen würde, dass seine Leser so sterben wie seine Protagonisten, während er selbst sich mit einer Doppelflinte den Kopf weggeblasen hat. Mein Glück ist, dass mir nicht übel wird und ich auch keine Kopfschmerzen habe. Die Knochen tun mir weh, aber es ist nicht schlimm. Ich genieße das Fieber fast ein wenig, ich bade darin. Das ist ein gutes Zeichen. Es deutet auf seelischen Frieden. Ich scheine nichts zu bereuen und muss auch nichts mehr beenden. Es sieht so aus, als wäre alles erledigt.
    Aber ich lebe noch am Morgen, außerdem kommt ein kleiner, dünner Massai, der sagt, dass er Arzt sei. Er beweist das mit dem weißen Kittel, den er trägt, und mit einer Plastiktüte, auf der «Apotheke Erlangen» steht. «Sie haben hohes Fieber», sagt er. «Ich weiß», antworte ich. Er holt ein Thermometer aus der Tüte und klemmt es mir unter die Achsel. Es kommt mit 39,2 Grad wieder raus. Noch ein Griff in die Plastiktüte. Jetzt hat er irgendwas Kleines, mit einer Nadel dran, in der Hand. Er sticht mir in die Kuppe des rechten Zeigefingers, lässt das Blut in eine Flüssigkeit tropfen und schaut sich das Ergebnis eine Zeitlang an. Was ich an dem Mann mag? Es ist der erste Halbgott in Weiß, der im Schneidersitz vor mir auf dem Boden hockt.
    «Es ist keine Malaria», sagt er.
    «Was ist es dann?»
    «Wahrscheinlich eine schwere Bronchitis.»
    Er fischt aus der Erlanger Geschenktüte eine Packung Antibiotika heraus. Ich nehme sofort eine Pille und frage ihn, was er bekommt. «As you like», sagt er. Alles klar, wir sind wieder in Afrika. «As you like» bedeutet: Freiwillig gibst du mir sowieso mehr als das, was ich verlangen kann. Ich bitte Lisa, ihm zwanzig Dollar zu geben, und er strahlt. Etwa eine Stunde später geht das Fieber merklich runter, und Freddy wirft den Motor an.
    Heute steht der Ngorongoro-Krater auf dem Programm. Als Professor Grzimek ihn zum

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