Afrika, Meine Passion
sie zeigen keine Anzeichen von Krankheit, und das schon seit neun Jahren. Ich gehe davon aus, dass sie gesund sind. Es soll ja nur jedes vierte Kind HIV-positiv sein, wenn die Mutter es war. Meine Enkel haben sicher Glück.«
In diesem Moment kommt einer der kleinen Jungen nach Hause, staunt über die ungewöhnlichen Gäste, zieht Gummistiefel an und verschwindet wieder. Ich möchte wissen, wie es möglich ist, dass alle in diesem kleinen Raum schlafen. »Corinne, das ist meine größte Sorge, da sie immer älter werden und mehr Platz brauchen. Ich schlafe mit den beiden Enkeln hier in meinem Bett. Zwei Kinder schlafen auf der Bank, auf der du gerade sitzt, jeweils seitenverkehrt, damit sie etwas mehr Platz haben. Das bedeutet, einer hat immer die Füße des anderen im Gesicht. Ein anderer legt sich hier auf den kleinen Tisch und ein Kind schläft hinter der geschlossenen Tür auf dem Kleiderstapel, den ich ausbreite. Doch vorher muss gekocht und gegessen werden, denn wenn alle liegen, können wir nicht mehr herumlaufen. Am Morgen stehe ich früh auf und die Kinder gehen zur Schule. Leider kann ich ihnen kein Essen mitgeben, weil das Geld nicht reicht. Sie müssen unterwegs selber schauen, wie und wo sie etwas bekommen.«
Das Radio der Nachbarn dudelt immer noch und auch der Hahn kräht sich nach wie vor die Seele aus dem Leib.
»Natürlich ist mein Leben viel besser geworden, seit ich die Gemüsesäcke von Solidarités habe«, sagt Anne nun mit einem Lächeln. »Zumindest haben wir jetzt täglich etwas zu essen. Entweder ich kann meinen eigenen Grünkohl kochen oder ich verkaufe einige Büschel und bekomme dafür in der Woche 300 Schilling. Geht es uns gut, essen wir täglich Ugali, gekochten Maisbrei, mit Kohl. Fehlt das Geld, wird das Maismehl als dünne Suppe gekocht und getrunken. Das hält allerdings nicht so lange vor. Aber meine 13 Säcke garantieren uns wenigstens eine Mahlzeit am Tag. Zusätzlich wasche ich für andere Leute immer noch zwei bis drei Mal die Woche, sonst könnten wir die Miete nicht bezahlen. Und dann kommt der Besitzer, der Landlord, wie er hier heißt, und nimmt entweder die Haustür oder das Dach über dem Kopf weg, bis du bezahlt hast. Wenn Regen fällt, ist dein ganzes Hab und Gut ruiniert. Auch mit dem Dach regnet es überall herein, aber ohne geht es gar nicht, weil es nachts sehr kalt wird.«
Ich bin sprachlos und gerührt, wie diese »alte« Mama ihr Bestes gibt, um ihre Kinder und die zwei Enkel versorgen zu können, nicht über ihr Schicksal jammert und sogar zufrieden ist, dass sie seit fast zwei Jahren durch harte Arbeit mit diesen Plastiksäcken mehr Lebensqualität gewonnen hat.
Am Ende frage ich Anne, ob sie noch Träume für die Zukunft hat, worauf sie erklärt: »Ja, mein einziger Wunsch ist es, einmal ein kleines Haus zu haben, auch wenn es nicht größer als dieses ist. Aber es sollte mein eigenes sein, damit meine Kinder ein Dach über dem Kopf haben, wenn ich sterbe. Jetzt muss ich täglich Angst haben, dass der Landlord kommt und sein Haus zurückhaben möchte. Obwohl ich schon so lange hier bin und wir so eng aufeinander leben, kenne ich meine Nachbarn nicht wirklich. Ich weiß nicht mal, was sie arbeiten. Vielleicht in einer Bank, vielleicht als Wachmann oder gar nichts. Hier weiß keiner etwas vom anderen. Jeder lebt für sich allein.«
Als ich mich für das Gespräch bedanke, strahlt sie mich an: »Es war mir eine große Freude und eine schöne Abwechslung in meinem Alltag.«
Ich kann nicht umhin, ihr etwas Geld zuzustecken, damit sie wenigstens für einen Monat die Miete bezahlt hat und heute nicht nachdenken muss, ob das Geld für das Abendessen reicht. Anne hat nichts von mir erwartet und kann ihr Glück nicht fassen. Sie nimmt meine Hände in ihre und schaut mich offen und tief bewegt an, sodass ich beschämt meine Tränen unterdrücken muss.
Wir treten nach draußen und das gleißende Sonnenlicht blendet mich. Frisch gewaschene Wäsche hängt an einer Leine über dem schmutzigen Boden und flattert im Wind. Wir machen uns auf den Weg zur nächsten Lebensgeschichte. Ich drehe mich nochmals um, und da steht Anne barfuß und bescheiden vor ihrer Behausung und winkt mir freundlich zu.
Grünkohl statt Rattengift – Irenes Rettung
Wir sind auf dem Weg zu Irene. Sie ist 23 Jahre alt, HIV-positiv und alleinerziehende Mutter zweier Kinder, erklärt mir Pastor Elly, der uns zu ihr führen wird. Unterwegs kommen wir an einem Stand vorbei, an dem Fischreste
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