Afrika, Meine Passion
Geschwister betreuen und konnte deswegen nicht weiter zur Schule gehen.
Und es kam noch schlimmer, denn Vater heiratete meine ehemalige Schulkameradin. Aus der fast gleichaltrigen Freundin wurde plötzlich meine Stiefmutter. Es war unerträglich für mich, sie so kurz nach dem Tod meiner Mutter mit meinem Vater zusammen erleben zu müssen. Von nun an begann die Hölle – wir wurden Feindinnen. Sie schikanierte mich und bürdete mir die ganze Arbeit auf. Immer wieder stichelte sie, dass ich mir einen eigenen Mann suchen solle, denn schließlich könne ich als 16-Jährige nicht länger in diesem Haushalt wohnen. Eines Tages hielt ich es nicht mehr aus, verließ die Farm und reiste zu einer Tante nach Kisumu. Aber auch dort konnte ich nicht lange bleiben, denn sie stritt immerzu mit ihrem Mann. So schlug sie mir vor, in Nairobi eine Arbeit als Hausmädchen zu suchen. Sie hatte eine Bekannte in Kibera, die mir bestimmt helfen könne. Auf diese Weise kam ich nach Nairobi zu der Freundin meiner Tante. Tatsächlich besorgte sie mir einen Job als House Girl bei einer sehr netten Frau. Ich bekam für die Arbeit Essen und etwas Geld. Der Job war angenehm und die Frau gut zu mir. Doch einige Monate später musste sie, aus welchen Gründen auch immer, nach Mombasa reisen und wusste nicht, wann sie zurückkommen würde. Sie empfahl mir, auf die Farm zu gehen, damit sie mich anrufen kann, wenn sie mich bräuchte. Also stand ich wieder ohne Job und Geld da.«
Irene spricht mit gedämpfter Stimme, sehr schnell und ununterbrochen. Ihre Lebensgeschichte sprudelt förmlich aus ihr heraus: »Ich kehrte zu meinem Vater zurück, aber es war nicht auszuhalten. Auch er wollte mich nun nicht mehr zu Hause haben. Meine Tante in Kisumu hatte sich zwar von ihrem Mann getrennt, doch mittlerweile wohnte ein neuer Freund bei ihr, sodass ich nicht wusste, wohin ich gehen sollte. Da begegnete ich eines Tages einem Schulfreund, den ich von der zweiten Klasse her kannte. Wir waren befreundet gewesen, hatten aber noch nie zusammen geschlafen. Ich durfte bei ihm bleiben. Nach einiger Zeit kam es zum ersten Geschlechtsverkehr und ich war sofort schwanger. Mein Freund wollte die Verantwortung nicht übernehmen und wir trennten uns. Hochschwanger reiste ich ein weiteres Mal zu der Bekannten meiner Tante in Kibera. Ich konnte bei ihr bleiben, bis das Kind zur Welt kam. Sie erzählte an ihrem Arbeitsplatz von meinem Schicksal, und so konnte ich bald nach der Geburt meine kleine Tochter tagsüber in einer Tagesstätte unterbringen. Die Leiterin war befreundet mit meiner Bekannten und verlangte deshalb kein Geld für die Babybetreuung. Im Gegenteil, sie besorgte mir aus Mitleid oder Sympathie sogar diese Behausung hier und bezahlte für mich drei Monatsmieten im Voraus, damit ich genügend Zeit hätte, eine Arbeit zu suchen.
Der Raum war komplett leer. Am Anfang hatte ich nicht einmal diese Plastikplane am Boden, nur Zeitungen und Kartons. Wenn es regnete, lief das Wasser über den Lehmboden. Kochen brauchte ich nicht, denn wenn ich mein Baby abends abholte, bekam ich ein Abendessen. Für kurze Zeit war mein einfaches Leben in Ordnung. Aber während der blutigen Unruhen nach der Wahl Ende 2007 begann hier im Slum eine schreckliche Zeit. Täglich war ich auf Arbeitssuche, putzen, waschen, einfach alles, damit ich überleben konnte. Es wurde immer schwieriger, Arbeit zu finden. Ich bin Luo und deshalb bot mir in dieser Zeit kein Kikuyu einen Job an. Lebensmittel gab es kaum noch. So war ich froh, als ich wieder einen Mann kennenlernte, der mir die Heirat versprach und für mich und mein Kind sorgen wollte. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nie mehr auf einen Mann hereinzufallen und mich nicht manipulieren zu lassen. Er war bereits älter, wirkte seriös und ich vertraute ihm. Als er noch dazu erklärte, dass er meine Geschwister zu Hause unterstützen würde, war ich bereit, mich auf ihn einzulassen. Wir sind beide Christen, und die Kirche erlaubt keine Kondome und andere Verhütungsmittel. Also war ich bald wieder schwanger. Als die Zeit der Geburt nahte, ging ich in das nächstgelegene Spital, das in einem Zelt untergebracht war. Alle werdenden Mütter werden in Kenia vor der Geburt einem Bluttest unterzogen. Bei mir stellte sich wenige Stunden, bevor ich mein zweites Kind bekam, heraus, dass ich HIV-positiv bin. Meine Blutwerte waren noch gut, ich trug den Virus also noch nicht lange in mir. Eine so schlimme Nachricht kurz vor dem Gebären ist
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