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Afrika, Meine Passion

Afrika, Meine Passion

Titel: Afrika, Meine Passion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinne Hofmann
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beantwortet meine Fragen ruhig mit einer angenehmen Stimme. Ihre ganze Mimik erinnert mich an Priscilla. Aus der angrenzenden Hütte trällert Musik herüber und ein Hahn kräht ununterbrochen. Ich frage sie, seit wann sie hier lebt, und schon beginnt sie zu erzählen:
    »Ich bin fünfzig Jahre alt und wohne die Hälfte meines Lebens in diesem Haus. Ich komme aus Kisumu, einer Stadt im Westen Kenias – Obamas Seite.« Ich lache, denn das höre ich immer wieder. Jeder, der aus dem Westen Kenias kommt, erklärt mit Stolz, dass er von Obamas Seite stammt. Irgendwie möchten alle zum ersten schwarzen Präsidenten der USA gehören.
    Anne fährt fort: »Ich habe früh geheiratet und mit diesem Mann sechs Kinder bekommen. Leider sind zwei kurz nach der Geburt gestorben und deshalb hat sich mein Mann neu verheiratet. Er hat mich mit den Kindern aus seinem Haus vertrieben. Seine Familie wollte mich nicht aufnehmen, weil er eine neue Frau hatte. Zu meiner eigenen Familie konnte ich auch nicht zurück, das ist bei uns so. Sobald du verheiratet bist, gehörst du zum Klan des Mannes. Meine Mutter konnte mir nur helfen, indem sie mir eine Stelle als Hausmädchen bei Freunden in Nairobi besorgte. Also reiste ich hierher und ließ meine Kinder in der Obhut meiner Mutter. Freunde besorgten mir diese Behausung in Kibera. Von hier aus ging ich täglich in die Stadt, um zu putzen und zu waschen. Nach wenigen Jahren starb meine Mutter und ich musste die ganze Kinderschar zu mir nehmen, da ich sonst niemanden mehr hatte. Alle Angehörigen waren verstorben. Also lebte ich, von einem Tag auf den anderen, mit so vielen Personen in diesem kleinen Raum. Die ältesten zwei Mädchen mussten auf die jüngeren Geschwister aufpassen, während ich arbeitete, damit wir mehr schlecht als recht überleben konnten. An manchen Abenden gingen wir hungrig ins Bett. Pro Tag bekam ich 100 Schilling [das entspricht knapp einem Euro] und wusch dafür mit meinen Händen von früh bis spät Berge von Wäsche. Auf dem Heimweg besorgte ich ein Kilo Maismehl für 30 Schilling und der Rest ging für Holzkohle, Wasser, etwas Fett oder Salz weg. Nicht zu vergessen, die Hausmiete. Sie wächst ständig. Am Anfang habe ich 100 Schilling pro Monat bezahlt, heute 600! Natürlich ging ich die gesamte Strecke in die Stadt zu Fuß, um das Geld für den Bus zu sparen. Hatte ich keinen Waschauftrag, gab es kein Essen. Wir aßen sowieso nur einmal am Tag – abends, denn mit leerem Magen schläft es sich schlecht.«
    Ich unterbreche Anne und frage sie, wie viele Kinder jetzt noch bei ihr leben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in diesem engen Raum zusätzlich noch sechs Kinder wohnen, die ja nun schon älter sein müssen. Anne fährt ruhig fort: »Meine beiden ältesten Töchter sind ausgezogen. Ich weiß nicht genau, wovon sie lebten, denn verheiratet waren sie nie. Eine Tochter hatte zwei Kinder, die seit ihrem Tod bei mir leben. Sie starb, als ihr zweites Kind gerade ein Jahr alt war. Auch meine andere Tochter ist gestorben. Ich vermute, beide waren HIV-positiv. Die Beerdigungen konnte ich nicht zahlen und war froh, als ihre Freunde das übernahmen. Mein einziger Beitrag war, der Beerdigung beizuwohnen, um meinen Respekt auszudrücken. Aber ich fühlte mich dabei nicht als gute Mutter. Die anderen vier Kinder leben immer noch bei mir. Zusammen sind es sechs Kinder zwischen 10 und 19 Jahren, die alle von mir ernährt werden müssen.«
    Sie sagt das in keiner Weise vorwurfsvoll, sondern eher besorgt. Ich rechne kurz nach und stelle fest, dass nicht alle Kinder von ihrem früheren Mann sein können. Als ich sie danach frage, lacht sie zum ersten Mal herzlich und verschmitzt: »Nein, du hast recht, ich war noch jung und hatte später einen Freund, von dem ich weitere Kinder bekam. Er half mir ab und zu, die Miete zu bezahlen, doch seit einiger Zeit weiß ich nicht, wo er sich aufhält. Als ich jung war, war es nicht ungefährlich, allein im Slum zu leben. Oft klopften Männer an meine Tür und wollten, dass ich sie hereinbitte. Nachdem sie aber wussten, dass ich einen Freund hatte, war ich sicherer. Heute, als alte Frau, fürchte ich mich nur noch nachts. Denn da machen sie keinen Unterschied, ob du jung oder alt bist. Wenn dich einer draußen überfallen oder vergewaltigen will, bist du wehrlos. Deshalb bleibe ich abends zu Hause.«
    Ich frage Anne, ob denn die Kleinen von der verstorbenen Tochter auch infiziert seien. Sie antwortet: »Ich habe sie nie testen lassen, denn

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