Afrika, Meine Passion
Handyladen, und einen Jungen schickte ich in einen Schneiderkurs. Mein fünfter Sohn betreibt auf dem Markt eine Arbeitsvermittlungsstelle für Hausmädchen. Alle meine Kinder sind wie ich eigentlich nie zur Schule gegangen und trotzdem sind sie heute alle erfolgreiche Geschäftsleute. Ja, und so habe ich im Laufe der letzten zehn Jahre immer mehr Geld aufnehmen können, bis ich mir schließlich die Anzahlung für dieses Haus leisten konnte«, strahlt sie stolz.
»Der Junge, der Schneider wurde, arbeitet heute hier bei mir im Laden. Wenn er Zeit hat, unterrichtet er andere im Schneiderhandwerk und gibt Trainingsstunden. Wir wollen etwas von unserem Glück zurückgeben. Glaub mir, Corinne, wenn ich heute dahin gehe, wo ich herkomme, begrüßen mich die Menschen ehrfürchtig und fragen sich: Was ist mit Claris passiert? Sie verstehen nicht, wie ich so reich werden konnte. Ich verstehe es ja selber nicht und denke manchmal: Bin ich es wirklich, die Claris von der Straße?« Sie lacht herzlich und wir alle fallen in ihr Gelächter mit ein.
Es ist tatsächlich eine unglaubliche Erfolgsgeschichte, die einem durch die witzige Erzählweise von Claris das Herz weit öffnet. Ihr Mut wirkt förmlich ansteckend.
Sie fügt noch hinzu: »Wenn ich dann bei diesen Leuten auf dem Land bin, lade ich sie ein, mit mir Tee zu trinken. Sie kommen alle, und während ich ihnen die ganze Geschichte detailliert erklären muss, behandeln sie mich wie eine Ministerin!« Wieder müssen wir alle herzhaft lachen.
»Einige reisen sogar hierher, um mein großes Haus mit eigenen Augen zu sehen, weil sie es nicht glauben wollen. Sie staunen über meine Möbel, und ich sitze da und sage ihnen: ›Ja, Leute, das ist mein Haus – das Haus, das ich mir auch ohne Mann erarbeitet habe! Claris’ Haus!‹« Der Mzee nickt und lächelt, während alle umstehenden Frauen klatschen.
»Ich habe versucht, möglichst viele Menschen am Lake Victoria zu motivieren, auch zu Jamii Bora zu kommen. Aber das Office war für die meisten zu weit entfernt. Da habe ich mit Ingrid gesprochen, und jetzt gibt es dort auch eine Niederlassung von Jamii Bora – und das meinetwegen! Darüber bin ich richtig happy, reise manchmal hin und erzähle immer wieder meine Geschichte, um anderen Mut zu machen. Es ist so wundervoll, was ich dank dieser Organisation aus meinem Leben machen konnte. Auch meine Söhne können es manchmal nicht fassen und beten nach wie vor, dass Gott uns weiterhin unterstützt.
Zum Schluss möchte ich noch eines sagen: In meinem Leben möchte ich aus ganzem Herzen weiter helfen und auch spenden. Wenn ich zu Hause im Rift Valley Kinder oder alte Menschen sehe, die Hunger haben, verschenke ich gerne Maismehl, denn die Zeit, als ich auf Spenden angewiesen war, habe ich nie vergessen. Auf diesem Wege danke ich Gott, dass ich, Claris, es geschafft habe, von der Straße wegzukommen. Und noch etwas: Hätte mein Ehemann mich damals nicht weggeschickt, hätte ich diese großartige Erfahrung nie gemacht. Ich bin reich, und aus allen meinen Jungen ist etwas geworden. Ich kann sagen, ich bin glücklich. Gott segne Mama Ingrid und Jamii Bora, damit sie noch vielen Menschen helfen können.«
Fröhlich singend und klatschend ziehen nun alle mit uns zum Haus einer weiteren Interviewpartnerin.
Janes Weg aus der Prostitution
Jane trägt ein feuerrotes Sport-Shirt über ihrem Rock, und ihre dichten Haare stehen in alle Richtungen. Sie ist jung und ihr Lachen ist offen und herzlich. Über ihre Stirn zieht sich bis zum Nasenrücken eine Narbe. Wenn sie nicht spricht, ist die Narbe dominierend. Wenn sie aber mit ihren leuchtenden Augen und einem umwerfenden Lachen erzählt, nimmt man die Narbe kaum mehr wahr. Janes Haus gleicht natürlich dem von Claris, nur die Einrichtung ist auffallender. Die Farbe Rosa ist allgegenwärtig. Überall liegen rosa Deckchen auf den Möbeln und die Wände sind mit weißen bestickten Tüchern verhängt. In einer Ecke steht eine moderne elektrische Nähmaschine.
Alle setzen sich auf die Polsterstühle um den Tisch und lauschen der Geschichte von Jane. Ich bin erstaunt, wie offen die Frauen vor anderen über ihr Leben erzählen. Nicht einmal der alte Massai-Mzee hält sie davon ab. Anscheinend braucht sich hier niemand zu schämen.
Jane beginnt: »Mit 18 wurde ich in Nakuru traditionell verheiratet. Mit 19 bekam ich mein erstes Kind – ein Mädchen. Ein Jahr später wurde ich erneut schwanger. Hochschwanger wurde ich zu meiner Mutter gerufen,
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