Afrika, Meine Passion
»Ja, sie sind für mich immer Vorbilder gewesen. Sie haben in schweren Zeiten das Beste versucht, um uns Kinder durchzubringen. Mein Vater ist Automechaniker und arbeitet auch heute noch hart. Erst als meine Mutter anfing, Gemüse zu verkaufen, ging es uns etwas besser und wir mussten nicht mehr hungrig zur Schule. Das Schönste aber war, dass ich mit Großvater hin und wieder zu Fußballspielen gehen konnte. Schon früh war ich vom Fußball begeistert. Als Zehnjähriger hörte ich in der Schule von MYSA. Ein Motivator kam in die Schule und sagte uns: ›Treibt euch nicht rum nach der Schule, sondern beginnt mit Sport. Bildet eine komplette Mannschaft, die bereit ist, diszipliniert zu trainieren, und dann könnt ihr euch bei uns anmelden. Ihr bekommt einen Ball, Trikots und die Möglichkeit, in den verschiedenen Ligen Turniere zu spielen. Wir werden alles organisieren, wenn wir euren Willen erkennen!‹
Das war der Moment, in dem ich mir sagte: Antony, pack diese Chance und suche dir eine Mannschaft zusammen! Kurz darauf spielte ich bereits in der Liga der unter Zwölfjährigen. Es war der Beginn einer steilen Karriere für mich. Mit 14 Jahren konnte ich schon in Norwegen Spiele bestreiten. Es war unglaublich. Die Möglichkeit zu bekommen, in einen Flieger zu steigen und nach Europa zu reisen, war für mich nur durch den Fußball möglich. Dafür arbeitete ich sehr hart. Dieses Etappenziel wollte ich unbedingt erreichen und habe es nach vier Jahren auch geschafft«, erzählt er stolz.
Ich frage, wie er den ersten Flug erlebt hat, und er sagt lachend: »Als ich im Flugzeug saß, war ich zwar nervös, aber ohne Angst. Einige Freunde, die bereits dort waren, hatten mir einiges über Norwegen erzählt. Aber es war noch viel eindrucksvoller. Ich finde fast keine Worte, um es zu beschreiben. Ich habe noch nie so prachtvolle Straßen, so große Häuser, so schöne Autos und so tolle Mädchen gesehen.« Die letzte Bemerkung führt zur Erheiterung der beiden anderen Spieler.
Auf meine Frage, ob er am liebsten dageblieben wäre, antwortet Antony: »Nein, damals noch nicht, ich war viel zu jung. Aber heute arbeite ich sehr hart an meiner Karriere. Seit zwei Jahren bin ich Mannschaftskapitän. Natürlich vergesse ich den Tag nicht, an dem wir den Cup gewonnen haben. Wir spielten vor 40.000 Zuschauern – das war ein Erlebnis! So etwas möchte jeder erleben und deshalb träume ich von einem Club in Europa. Ich würde gerne mit der Elite spielen, vielleicht bei Real Madrid, aber andere Clubs sind genauso gut. Es ist ein harter Weg, aber ich gebe meinen Traum nicht auf. Schließlich konnten wir auch den Cup gewinnen, was niemand erwartet hat«, beendet er voller Hoffnung seine Erzählung.
Am Ende erkundige ich mich noch nach seinen sonstigen Träumen. »Natürlich möchte ich eine Familie haben mit vielen Kindern, die ich hoffentlich genauso gut erziehen kann, wie das meine Eltern mit uns getan haben. Und ich möchte unbedingt den jungen Menschen im Slum, die vielleicht nicht diese Möglichkeit haben wie ich, bei Mathare United zu spielen, etwas weitergeben. Gerne bin ich Vorbild und möchte einen Beitrag leisten, den Lebensstil von vielen jungen, hoffnungslos gestrandeten Menschen zu verändern. Sie müssen zum Sport kommen. Es ist manchmal der einzige Weg, der einem die Hoffnung und die Kraft gibt, dem Elend zu entkommen. Du musst zwar Tag für Tag, Jahr für Jahr trainieren, ohne Geld zu bekommen, und man weiß nicht, ob es jemals reichen wird, von einem Club gegen Bezahlung engagiert zu werden. Es gibt ja mittlerweile Tausende von guten Fußballspielern in Kenia, und alle träumen von einer Karriere als Profi. Deshalb kann ich sagen, dass ich froh bin, einen Platz bei Mathare United gefunden zu haben, auch wenn wir nie so viel verdienen werden wie andere in derselben Liga, weil uns die großen Sponsoren fehlen. Mathare ist der Name unseres Slums und der eignet sich nicht so gut für Werbung. Sicher wäre es besser, mehr zu verdienen, dann könnte man auch mehr Unterstützung anbieten. Aber es ist okay und wir leben nicht schlecht. Wir sind wie eine große Familie. Unser Coach Francis Kimanzi ist nicht nur der beste Trainer Kenias, sondern auch wie ein Vater für uns alle. Er vermittelt uns Werte und Stabilität, damit wir mit diesem Erfolg auch umgehen können. So etwas findet man wahrscheinlich in keinem anderen Club in Kenia. Viele Spieler kennen sich durch das MYSA-System schon lange und spielen zehn Jahre und länger
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