Afrika, Meine Passion
Vordergrund einen wilden, stampfenden afrikanischen Tanz. Dabei verbiegen sie ihre schmalen Körper wie Schlangenmenschen in alle Richtungen. Bei dem einen oder anderen stechen regelrecht die Rippen aus dem schlanken Körper hervor. Unweigerlich denke ich daran, dass sie wahrscheinlich heute noch nicht gegessen haben, wie ich es von vielen Kindern schon gehört habe. Die meisten können täglich nur ein Mal essen, und zwar am Abend. Es ist unglaublich, wie nun die Mädchen und Jungen gemeinsam durch die Luft wirbeln, während ihnen vor Hitze der Schweiß über das Gesicht läuft. Ich kann mich kaum auf dem Stuhl halten, so heftig fährt mir der Rhythmus in die Glieder.
Der anschließende Applaus lässt ihre Gesichter vor lauter Glück strahlen. Die kleineren Zuschauer am Spielfeldrand klatschen begeistert und die Älteren pfeifen anerkennend. Ich hätte noch lange dasitzen und zuschauen können, doch langsam geht das Fest dem Ende zu. Es werden noch Schecks von Sponsoren an verschiedene Schüler verteilt, die aber direkt bei der jeweiligen Schule einbezahlt werden. Bob und Helge halten zum Abschluss eine Dankesrede, und allmählich bewegen sich die ersten Zuschauer zum Ausgang. Später verlassen auch wir beeindruckt das Gelände. Während ich noch einmal zurückschaue, sehe ich, wie Helge langsam allein und mit gesenktem Kopf über den Platz geht, in beiden Händen die Vase voller roter Rosen. Er hat, wie auch Bob, so viel für diesen Fußball geleistet, und nun nimmt er auf seine Art ganz leise Abschied von seinem Amt. Es geht jetzt auch ohne ihn – was ja das Ziel war. Kenia, so hat er mir im Gespräch gesagt, wird er auch in Zukunft jedes Jahr, wie viele andere begeisterte Touristen, besuchen kommen.
Außergewöhnliche Fußballstars
Zwei Tage nach dem großen Fest werde ich von Jecton angerufen und zum Interview mit den Spielern gebeten. Ich solle wieder zum Clubhaus kommen, aber diesmal erst nach dem Training. Ich bin sehr gespannt, ob sich die Spieler in der kurzen Zeit für ein Gespräch öffnen und etwas von sich und ihren Träumen erzählen werden.
Diesmal verläuft die Fahrt ohne Zwischenfälle und ich bin überrascht, wie freundlich uns heute der Trainer Francis Kimanzi empfängt. Während er mir die Hand entgegenstreckt, erwähnt er, dass er schon begonnen hätte, mein Buch »Die weiße Massai« in der englischen Übersetzung zu lesen und die Geschichte wirklich unglaublich finde. Ich fühle mich geschmeichelt. Dann führt er mich in einen Nebenraum, fragt nach meinem Getränkewunsch, stellt mir die Spieler vor, die bereit sind, über ihr Leben zu berichten, und verlässt den Raum.
Vor mir sitzen drei junge Männer, die sich nach dem Training bereits umgezogen und geduscht haben. Wirkten sie vorher in den gelben Trikots noch etwas unscheinbar, so sehen sie in ihren Kleidern richtig gut aus. Sie machen einen eher schüchternen Eindruck, und es ist gar nicht so einfach, in ein Gespräch einzusteigen. Was fragt man auch erfolgreiche Fußballer, wenn man selber nicht allzu viel vom Fußball versteht und vor allem Privates erfahren möchte?
I ch beginne mit Antony, dem Kapitän. Er ist ziemlich groß und sehr hübsch. Aus seinem offenen sympathischen Gesicht schauen mich zwei dunkle Samtaugen an. Den vollen Mund ziert ein kleiner Oberlippenbart. An seinem Hals glitzert eine goldfarbene Kette. Am linken Handgelenk trägt er eine elegante Uhr, die sich von der dunklen Haut dekorativ abhebt. Ein leichtes Herrenparfum steigt mir in die Nase. Ich kann mir gut vorstellen, dass Antony viele weibliche Fans hat. Schwerer fällt es mir zu glauben, dass er immer noch in der Nähe des Slums lebt. Mit einer wohlklingenden Stimme beantwortet er meine Frage nach seinem Alter: »Ich werde bald 23 Jahre alt und bin im Elendsviertel von Mathare aufgewachsen. Meine direkte Nachbarschaft bestand aus Kriminellen, Trinkern und Prostituierten. Ich habe keine fünf Minuten positive Erinnerung an diese Zeit. Ich habe fünf Geschwister, von denen zwei schon verheiratet sind. Drei wohnen noch zu Hause bei meinen Eltern und Großeltern. Selber lebe ich mit meiner Freundin zusammen. Aber ich unterstütze meine zwei jüngeren Brüder und versuche Geld zu sparen, damit ich ihnen vielleicht einmal einen kleinen Shop eröffnen kann.«
Im Gegensatz zu meinen vorhergehenden Interviews hö-re ich zum ersten Mal, dass die Eltern nach so vielen Jahren noch beieinander sind. Als ich Antony darauf anspreche, ist er merklich stolz und meint:
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