Afrika, Meine Passion
nicht, im selben Jahr flog ich mit meiner Mannschaft zum Norway Cup. Es ging alles so schnell und ich hatte keine Zeit, Angst vor dem Flug zu haben. Die Aufregung war einfach zu groß. Meine Mutter hatte Angst um mich, da wir drei Wochen in Norwegen geblieben sind. Sie dachte schon, ich würde nie mehr zurückkommen, und ich musste sofort nach unserer Ankunft bei Nachbarn, die ein Telefon hatten, anrufen. Alle brachten mich zum Flugplatz, selbst Großvater kam mit. Wir mussten Geld sammeln, um ein großes Auto zu mieten«, erzählt er mit breitem Grinsen. »In Norwegen fühlte ich mich wie im Paradies. Es gab einfach alles. Schon zum Frühstück bekamen wir Brot, Äpfel und Saft, und bei den Gastfamilien konnten wir essen, so viel wir wollten. Natürlich sagte die Familie: ›Joseph, iss nicht so viel, denn es wird auch Mittag- und Abendessen geben.‹ Zum Training erschienen wir mit Sandwiches, Milch oder Saft statt mit Wasser. Der Coach war wütend, denn nach zwei Tagen waren alle in der Mannschaft dicker und schwerfälliger geworden. Wir konnten kaum noch trainieren.«
Während Joseph das erzählt, laufen mir vor Lachen die Tränen über die Wangen. Ich kann mir lebhaft vorstellen, dass sich die Spieler wie im Schlaraffenland vorkamen.
»Ich war happy und trotzdem vermisste ich meine Familie. Ich hätte viel darum gegeben, wenn sie dieses Leben auch kurz ausprobieren hätten können«, sagt er. »Als ich nach drei Wochen zurückkam, waren doppelt so viele Menschen am Flughafen, um mich abzuholen. Meine Onkel wollten schon am Flughafen meinen Koffer öffnen, um zu sehen, was ich ihnen aus Europa mitgebracht habe. Es war verrückt. Geld hatten wir keines, aber die Gastfamilien haben uns T-Shirts oder Socken mitgegeben, einfach etwas, damit wir zu Hause Geschenke verteilen konnten.« Josephs Erzählweise löst bei seinen Zuhörern und bei ihm selbst immer wieder anhaltendes Gelächter aus.
»Letztes Jahr hatte ich eine tolle Saison. Ich wurde als Spieler des Jahres auf den dritten Platz gewählt, gleichzeitig war ich der Topscorer, das heißt, ich habe die meisten Tore geschossen und gewann drei Preise«, berichtet er mit Genugtuung.
»Dann sind deine Eltern sicher sehr zufrieden mit dir?«, frage ich nach. »Ja, sie sind stolz, aber ich stand so häufig in der Zeitung, dass die ganze Verwandtschaft denkt, ich hätte viel Geld bekommen, was nicht unbedingt stimmt. Die Verwandten auf dem Land wollen nun ständig etwas von mir. Mein Großvater ruft fast täglich an und hat diverse Wünsche. Es ist nicht einfach, auch weil ich noch meine zwei jüngeren Geschwister unterstütze, damit sie die Schule beenden können. Und ab und zu helfe ich meiner Mama mit Geld aus. Wir sind nicht die Großverdiener wie in anderen Clubs. Ich wohne mit meiner Freundin zusammen. Und nun macht ihre Familie Druck, dass ich um ihre Hand anhalte. Der traditionelle Weg in meiner Kultur ist nicht gerade billig. Ich muss mit einem großen Teil meiner Familie bei ihrer Familie die Aufwartung machen. Dort werden ebenfalls alle Familienmitglieder anwesend sein, damit man sich unterhalten kann und sich beim Essen besser kennenlernt. Für die Verpflegung muss ich ihnen das Geld geben. Sie wiederum sind verantwortlich für die Zubereitung des Abendessens. Natürlich gibt es Ziegen- und Kuhfleisch, traditionelles Bier, das schon eine Woche vorher gebraut wird, und vieles mehr. Das alles ist sehr teuer, und später kommen noch weitere Treffen dazu. Meine Freundin ist stolz auf mich, dass ich ihr diesen traditionellen Weg ermöglichen kann, denn dadurch steigt ihr Ansehen in der Familie und meines ebenfalls. Ich möchte, dass meine Frau respektiert wird. Sollten später einmal Probleme auftreten, sind alle füreinander da, weil wir Teil der ganzen Familie geworden sind. Nicht jede Frau hat das Glück, einen Mann zu finden, der ihr das bieten kann. Doch meine Freundin muss Vorbild für ihre Schwester sein, und auf meiner Seite muss ich als Ältester ein großes Vorbild für meine Brüder sein. So werden sie später dasselbe mit ihren Frauen tun. Ich bin froh, dass ich dazu in der Lage bin, denn es ist wichtig. Natürlich bin ich auch etwas nervös«, lächelt er verlegen.
»Am Sonntag spiele ich erst mein Match und reise dann zur Familie meiner Freundin. Meine Verwandten fahren bereits voraus und ich komme gegen Abend mit dem Bus nach. Natürlich hoffe ich, dass nichts schiefgeht und ich alle friedlich vorfinde«, fügt er verschmitzt hinzu.
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