Afrika, Meine Passion
Wasserfällen im eigenen Land verwöhnt sind, erscheinen sie nicht ganz so außergewöhnlich. Bemerkenswerter für mich ist, dass hier meine Tochter öfter auf Kiswahili angesprochen wird. Offenbar erkennen die jungen Leute in ihr die Halbkenianerin. Ihre Samburu-Heimat liegt ja auch nicht mehr allzu weit entfernt, zumindest von den Kilometern her.
Allerdings braucht man für die kommende Strecke nach Maralal sehr viel Geduld. Nach Rumuruti beginnt die staubige Piste. Wir hören, dass hier Tage zuvor heftiger Regen die rote Erde aufgeweicht und verschlammt hat und für die wenigen Autos, die diese Strecke benutzten, fast kein Durchkommen war. Solch ein Steckenbleiben im Schlamm ist mir von früher durchaus vertraut. Mehrere Male musste ich sogar im öffentlichen Bus übernachten und hatte nichts zu essen und zu trinken dabei. Das wunderbare Erlebnis, als einzige Weiße im Bus von den Einheimischen verköstigt zu werden, auch wenn ich ihre Sprache nicht beherrschte, werde ich niemals vergessen. Heute haben wir Glück und passieren nur einige Wasserlachen. Sobald die Erde rot wird und die Savanne sich langsam bemerkbar macht, überkommt mich ein vertrautes »Heimkehrer-Gefühl«.
Doch bald schon stelle ich erschrocken fest, dass hier eine ähnliche Entwicklung wie in Namibia stattfindet. Überall haben sich Besitzer große Ländereien eingezäunt, auf denen teilweise riesige Farmhäuser stehen. Dieses Land war vor sechs Jahren noch frei und für jedermann zugänglich. Unglaublich, wie schnell sich alles verändert! Wo gehen nun die Samburu, die ja Halbnomaden sind, mit ihren Herden hin? Etwas später erkenne ich besorgt die Probleme: Während Kinder ihre Ziegen- oder Kuhherden auf den wenigen verbleibenden, trockenen Grasstreifen weiden lassen, begegnen wir nur einige hundert Meter weiter einer grasenden Büffelherde direkt neben der Straße. So etwas gab es früher nicht. Büffel sind äußerst aggressiv. Da das früher freie Land eingezäunt ist, können sie nicht mehr umherziehen wie gewohnt, sondern müssen das Wenige mit den domestizierten Tieren der Einwohner teilen. Dies gilt selbstverständlich auch für andere Wildtiere wie Elefanten, Zebras und Löwen, was sicherlich zu gefährlichen Situationen für die Nomaden führt.
Während mir diese Gedanken durch den Kopf schwirren und mich ein wenig traurig stimmen, sehe ich mit Freude immer wieder schön geschmückte Samburu-Krieger mit langen roten, zu Zöpfchen geflochtenen Haaren durch die Savanne schreiten. Auch viele Frauen in gelben und blauen Kangas, geschmückt mit mehrschichtigem, farbigem Glasperlenschmuck, erfreuen mein Auge. Ich hatte schon befürchtet, meine Tochter würde dieser traditionellen Bekleidung nicht mehr begegnen, weil immer mehr junge Menschen die Schule besuchen und auf ihre ursprüngliche Kleidung und den Schmuck verzichten müssen. Interessiert, manchmal auch amüsiert schaut Napirai während der langen Fahrt aus dem Fenster.
Nach weiteren fünf Fahrstunden auf der Holperpiste erreichen wir Maralal, den Hauptort des Samburu-Gebietes. Obwohl wir etwas außerhalb in der Maralal Safari Lodge nächtigen wollen, kann ich nicht anders, als zuerst ins kleine Städtchen zu fahren, um zu sehen, was sich in den sechs Jahren verändert hat. Natürlich auch, um Napirai zu zeigen, wo ich mich so viele Male aufgehalten habe. Wenn ich damals aus Barsaloi kam, bedeutete Maralal für mich die Zivilisation. Nach wie vor erinnert es mich an ein einfaches Wildweststädtchen. Immer noch ist Maralal der letzte Ort in der Region, in dem man gute Verpflegung und Benzin bekommen kann, bevor man zum Lake Turkana, nach Barsaloi oder nach Wamba aufbricht. Am liebsten würde ich mich gleich in ein Teehaus setzen, einen richtigen Chai trinken und ein Mandazi zu mir nehmen und die Atmosphäre auf mich wirken lassen. Doch alle fühlen sich müde und staubig und außerdem haben wir uns später mit meinem Schwager James in der Lodge verabredet. Deshalb muss ich vorerst mit einer gemächlichen Durchfahrt im Auto Vorlieb nehmen. Im Kern hat sich Maralal nicht übermäßig verändert. Es gibt mehr Fahrzeuge und auch mehr Einwohner, die westlich gekleidet sind, ansonsten reihen sich nach wie vor dieselben aus Holz gebauten Shops aneinander, die fast alle die gleichen Waren anbieten.
Während meine Augen durch die staubige Autoscheibe die vielen Menschen betrachten, werde ich immer aufgeregter. Vielleicht erblicke ich ja James. Irgendwo da draußen wartet er auf uns und
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