Afrika, Meine Passion
ist sicher ebenso nervös und angespannt wie wir. Als Einziger in der Familie, der eine Schulausbildung hat und deshalb immer der Mittler zwischen der Schweiz und Kenia war, trägt er eine große Verantwortung. Mein Gott, plötzlich wird mir in aller Klarheit bewusst, dass in den nächsten Minuten meine Tochter, seit sie knapp zwei Jahre alt war, den ersten Kontakt mit ihren afrikanischen Blutsverwandten haben wird. Gespannt schaue ich zu ihr. In ihren Augen bemerke ich ein Flimmern, das auf Nervosität und leichtes Unbehagen schließen lässt. Ich nehme ihre Hand in die meine und fühle mich ihr sehr verbunden.
Unsere Autos holpern auf der staubigen, über einige Hügel führenden Straße zur schlichten Lodge. Niemand ist anzutreffen, weder Touristen noch eine Bedienung. Schließlich erscheint ein alter Samburu-Mann, der uns umständlich Getränke serviert. Irgendwie gehört das hier dazu. Es hat sich nichts Wesentliches verändert, seit ich die Lodge vor 24 Jahren zum ersten Mal betreten hatte. Damals saß ich wie jetzt auf dieser Terrasse und hielt ein paar Fotos von einem wunderschönen Samburu-Krieger in der Hand. Ich liebte diesen Mann aus tiefstem Herzen und hatte deshalb in der Schweiz alles verkauft und aufgegeben. Gegen unseren Willen waren wir getrennt worden. Mein Kummer und der unerschütterliche Glaube an unsere Liebe trieben mich damals den weiten Weg von Mombasa hierher. Ich saß da, trank erschöpft eine Limonade, starrte auf die Hügelkette in der Ferne und betete, dass ich meine große Liebe irgendwo da draußen wiederfinden möge, was fast aussichtslos war. Aber mein Wille, gespeist durch die Kraft dieser tiefen Liebe, hat es möglich gemacht. Bis heute bin ich überzeugt, dass es unsere Bestimmung war.
Und nun bin ich da, weil ich ihm seine wunderbare Tochter vorstellen möchte. Auch Napirai fiebert langsam dem Treffen mit ihrem Vater entgegen und weiß gar nicht, wie sie sich verhalten soll.
Am Wasserloch stehen einige Zebras und dahinter spielen ein paar Affen. Ansonsten ist es sehr ruhig. Kurz nach unserem Eintreffen erscheint eine kleine Gruppe italienischer Touristen. Sie schauen zu den Zebras, und als nach einigen Minuten keine Bedienung erscheint, gehen sie wieder.
Nach einer Weile höre ich ein Motorrad und weiß sofort, dass es James sein muss. Da Napirai und ich immer noch auf der Terrasse sind, hören wir erst die herzliche Begrüßung von James durch Albert und Klaus. Gerade wollen wir uns zu ihnen begeben, als er schon vor uns steht. James ist rundlicher geworden und die Anspannung ist ihm förmlich ins dunkle Gesicht geschrieben. Freudig streckt er mir seine Arme entgegen, die in einer dicken Daunenjacke stecken, und drückt mich herzlich. »Ey, ey, ey, Corinne, you came back!«, ruft er glücklich. Auch ich freue mich riesig. Dann schaut er an mir vorbei zu Napirai, lacht noch breiter und umarmt sie innig.
James schaut immer wieder zu Napirai und lacht: »Ey, ey, ey, ist sie groß geworden! Erst vor Kurzem habe ich noch mit einem kleinen Mädchen gespielt, war selber ein Schuljunge, und nun steht eine junge Frau vor mir.« Dabei schüttelt er immer wieder ungläubig den Kopf. »Und du, Corinne, ja, auch Albert und Klaus, alle seid ihr wiedergekommen! Ich konnte es lange nicht glauben, als ich den Brief bekommen habe. Jahrelang haben wir auf Napirai gewartet und plötzlich kommt ein Brief, in dem steht, dass ihr schon bald da sein werdet. Er hat mich sehr spät erreicht, erst einen Monat vor eurer Ankunft, und deshalb dachte ich, es ist besser, wenn der Pater für mich antwortet, da es mit dem Computer schneller geht, wie er mir versichert hat«, erzählt er lebhaft weiter. Wir plaudern alle durcheinander. Eine Frage hier, eine Frage dort. Napirai mustert James aufmerksam, während sie sich offensichtlich emotional erst ein wenig sammeln muss.
Plötzlich wird er ernst und sagt: »Corinne, Lketinga ist auch in Maralal und möchte seine Tochter schon heute sehen. Er wollte auf keinen Fall zu Hause auf euch warten. Darf ich ihn holen?« »Ja natürlich, ich habe mir schon gedacht, dass er nicht tatenlos zu Hause sitzt, wenn seine Tochter kommt«, schmunzle ich. Für Napirai geht nun doch alles ein bisschen schnell, wie ich an ihren erschrockenen Augen bemerke.
James nimmt sein Handy, das aber nur in Maralal funktioniert, und ruft Lketinga an, der anscheinend auch per Mobiltelefon erreichbar ist. Ein paar kurze Sätze hin und her, und dann macht sich James auf den Weg. Ich kann
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